Ferdinand von Schirach „Regen – Eine Liebeserklärung“

Buchkritik "Regen" von Ferdinand von Schirach präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Luchterhand Verlag 2023

Es graut ihm vor diesem Ehrenamt das „kein demokratischer Prozess“ ist. Aufgrund ganz unterschiedlicher Bildungshintergründe erfolgen fragwürdige Interpretationen und Urteile, was Ferdinand von Schirach ganz unterschiedliche Unsinnigkeiten unseres Lebensstil assoziieren lässt, vom Phantom der Vorstellung, alle Menschen seien gleich bis zur Pareto-Regel, nach der in allem Tun nur 20 % der eingesetzten Energie wirksam wird, und gekehrt, dass 80 % von allem, was wir machen, Schrott ist. 

Den Leser direkt ansprechend parliert und laviert er lakonisch elegant, mit vielen Anspielungen quer durch die Kulturgeschichte durch die Untiefen der Gegenwart aus seiner ganz persönlichen Perspektive. Urlaub auf weißen Stränden, die nichts anderes als eine Fischkloake sind, mit schlechter Ferienlektüre und Hautkrebsförderung ist ihm ein absoluter Horror. Statt Party zu feiern genießt er in Athen lieber von der Terrasse des Grande Bretagne den Blick auf das Pantheon. Wenn eine attraktive Dame das gleiche macht, werden Erinnerungen wach, rückt die Bedeutung der Seelenverwandtschaft im Sinne von „Alles Finden ist ein Wiederfinden“ in den Mittelpunkt und weitet die Liebeserklärung an den Regen subtil auf tiefe mitmenschliche Beziehungen. „Sie wissen um den anderen, den Lebensmenschen, lange bevor sie ihn zum ersten Mal sehen“.

Um Liebe und Glück, Depression und Opium im Alter kreist auch der zweite Teil des Buches. „Ich glaube, dass wir nur ein, höchstens zweimal im Leben lieben können“. Der innere Monolog wandelt sich in ein Interview, das Sven Michaelsen für das Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ 2022 unter dem Titel führte „Es gibt wohl eine Begabung zum Glück – ich habe sie nicht“. Es thematisiert, wie schon oft, die Problematiken im Leben Ferdinand von Schirachs, „das Schreiben als anstrengender Prozess“. Er selbst zählt sich nicht zu den Leistungsstarken und konstatiert „Ich bin eine Enttäuschung, ich weiß,“ 

Die große Zahl seiner Leser und der Verlag sehen das anders. Ein Buch von Ferdinand von Schirach zu lesen, ist immer ein Genuss, weil seine Gedanken und Beobachtungen, vor allem auch seine Theatertexte „Terror“ und „Gott“ genau in die Mitte wichtiger Fragestellungen zielen. Man fühlt sich mit ihm im Café Menschen und Leben beobachtend. Seine Art zu schreiben, zu argumentieren, seine Ehrlichkeit und seine Persönlichkeit machen seine Aura aus, die das Marketing anlässlich seines neuen Buchs „Regen“ geschickt mit einer großen inszenierten Lesetournee durch Deutschland, Tschechien und  die Schweiz nützt.

Ferdinand von Schirach „Regen – Eine Liebeserklärung“, Luchterhand Verlag, München 2023, S. 108

 

"