Benedict Wells „Hard Land“

Buchkritik von Benedict Wells "Hard Land" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Diogenes Verlag

„Hard Land“ heißt auch der 5-aktige Gedichtband, den alle Schüler in Grady im letzten Schuljahr analysieren müssen. Es ist eine fiktive Ode an die Popmusik der 1980er Jahre, dessen Struktur in fünf Akte und 49 Kapitel Benedict Wells übernimmt. Grady selbst wird dabei zum Symbol des Erwachsenwerdens, das Sam in diesem Sommer mit seinen drei neuen Freunden dem schlagfertigen Cameron, dem sportlichen Hightower und der draufgängerischen Kristie erlebt. Sehr authentisch lässt Benedict Wells den Leser in die Welt der damaligen ökonomischen und kulturellen Wirklichkeiten eintauchen, zwischen Tod und Liebe die Eckpunkte unserer Existenz erleben.

Mit viel Liebe zu geografischen, filmischen und musikalischen Details entwirft Benedict Wells eine nostalgische Szenerie, in der man sich schnell beheimatet fühlt. Das in die Jahre gekommene Metropolis-Kino bildet mit seinen Filmplakaten, dem uralten Kronleuchter und dem Geruch nach Öl, Zucker und Staub den Schauplatz von Sams erstem Ferienjob. Durch Benedict Wells‘ schnörkellosen, gleichzeitig tiefgründigen und nahbaren Erzählstil entwickelt sich eine Geschichte, die man hören, ja sogar schmecken und riechen, aber vor allem fühlen kann.

Das Geheimnis der „Wellen“ kreist um die Mutproben Jugendlicher. Sam beginnt aufzutauen, weil er mit dabei ist. Er und seine Freunde balancieren zwischen Euphorie und Melancholie. Kristie nennt es „Euphancholica“, die sich als roter Faden durch „Hard Land“ zieht. Die vier jungen Menschen, kleine Punkte im Kosmos, zoomt Benedict Wells wie aus einem pointillistischen Bild heran und zeigt an ihnen, was das Leben mit ihnen macht. Sie sind wie „Der Ball in der Luft“, so das zweite Kapitel. „Kindsein ist wie den Ball hochwerfen, Erwachsenwerden ist, wenn er wieder herunterfällt.“

In der Clique wagt Sam in der „Probe“ Grenzen zu überschreiten, seine Ängste zu bezwingen. Endlich beginnt er sich so zu fühlen, wie er sich immer fühlen wollte, „übermütig und wach und mittendrin und unsterblich.“ Doch ein „Streich“ des Lebens macht alles zunichte. Als die Mutter stirbt, die Clique Grady verlässt, befindet sich Sam am Scheitelpunkt der Ballwurflinie. Es ist Kristie, die Sam das 49. Geheimnis erklärt. „Der Junge ruderte über den See und kam als Mann zurück“. 

Selbst wenn man Coming-Up-Geschichten überhaupt nicht mag, schon gar nicht wenn sie im Mittelwesten der USA handeln, kann man der Erzählkraft Benedict Wells‘  kaum widerstehen.

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©Roger Eberhard

Benedict Wells wurde 1984 in München geboren, verbrachte seine gesamte Schulzeit in drei bayerischen Internaten. Nach dem Abitur ging er nach Berlin, studierte aber nicht, sondern begann zu schreiben und finanzierte sich zunächst durch Nebenjobs.

Bereits sein erster Roman „Becks letzter Sommer“ (2008) wurde im renommierten Diogenes Verlag publiziert, mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet und verfilmt. Es folgten die Romane „Spinner“(2009) , den er bereits mit 19 Jahren geschrieben hatte, und „Fast genial“(2011).

„Vom Ende der Einsamkeit“ (2016) stand monatelang auf der Bestsellerliste, wurde bislang in 38 Sprachen übersetzt und als Lieblingsbuch der unabhängigen Buchhandlungen und mit dem European Union Prize for Literature ausgezeichnet. 2018 erschien „Die Wahrheit über das Lügen: Zehn Geschichten“. Benedict Wells lebt und arbeitet nach einem Aufenthalt in Barcelona inzwischen in Zürich und hat auch die Schweizer Staatsbürgerschaft.

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Im Oktober und November 2021 gehen Benedict Wells mit „Hard Land“  und Jacob Brass mit seinem neuem Album „Circle Town“ auf  „Hard Land Club Tour“: 20.10. Hamburg/Kampnagel, 2.11. Berlin/Babylon, 3.11. Leipzig/Haus Leipzig, 4.11. Darmstadt, Centralstation, 6.11. Stuttgart, Wizemann, 8.11. München, Muffathalle, 9.11 Köln, Gloira, 11.11. Wie, Simm City 15.11. Kaufleuten.

Benedict Wells: Hard Land, Diogenes Verlag, Zürich 2021, 346 S.