Barack Obama „Ein verheißenes Land“

Buchrezensio von Barak Obamas "Ein verheißenes Land" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Penguin Verlag

Es bedarf allerdings der Ausdauer dieses umfangreiche Werk über den  Wahlkampf-, Innen- und Außenpolitik der USA  zu lesen. Wie in seinen Reden neigt Obama durch seinen extrem detailfreudigen Erzählstil zur epischen Breite, was einmal mehr zeigt, wie ihn die Ereignisse in ihrer Komplexität bewegten. Bei jeder neuen Begegnung, und das sind sehr viele, beschreibt Obama zunächst das soziale Umfeld seiner politischen Gefährten und Gegner und zieht Parallelen zu seinem eigenen Leben, wodurch sich in nüchterner Politik das menschliche Ringen zwischen konservativem Erhalten und innovativen Neuerungen in ungewöhnlicher Dramatik entfaltet. 

Der Leser bekommt einen tiefgründigen Einblick in die komplexen Wahlmodalitäten, die zunehmende Spaltung der Gesellschaft durch das blockierende Verhalten der Republikaner und die diplomatische Rolle der USA als Weltmacht. Man beginnt zu verstehen, welche Leistungen Obama für die USA und die Welt gegen den extremen Widerstand der Republikaner erzielte und warum Trump Obamas Nachfolger wurde. Der Leser lernt aber auch einen Präsidenten kennen, dem bewusst wurde „Egal was du tust, es wird nicht genug sein“. 

Obama gelang es durch seinen spektakulären Wahlkampf neue, vor allem junge Wählerschichten für seine Vision eines „Verheißenen Landes“ zu gewinnen, indem er allen Bürgern, egal welcher Ethnik und Religion, eine medizinische Versorgung, bessere Bildung und Arbeitsplätze versprach. Die Republikaner blockierten grundsätzlich Obamas Initiativen, immer die Sorge schürend, die weiße Mittelschicht und das Großkapital könnten ihren Einfluss verlieren. Sozialausgaben wurden als Fehlinvestitionen für die leistungsschwachen Armen abgewertet, die nur unnötige Verschuldungen nach sich zögen. Gebeutelt von der Immobilienblase hatte Obamas Regierungszeit einen denkbar ungünstigen Start, aber er kämpfte sich durch.

Hauptthema seiner Autobiografie  ist immer die Politik. Familiäre Einblicke gibt Obama nur sporadisch, immer dann wenn er es genoss mit seiner Frau Michelle und den beiden Töchtern Zeit zu verbringen oder aus dem Bedauern, dass die Zeit dazu fehlte. 

Dagegen beschreibt er ausführlich seine Mitstreiter und Mitarbeiter, seine Gegner und internationalen Verhandlungspartner. Sympathie entsteht intuitiv, wenn fremde Lebensläufe dem eigenen gleichen. 

Während Michelle Obama in ihrer 2018 erschienenen sehr privaten Autobiografie immer wieder den brillanten Intellekt, die charismatische Persönlichkeit und das soziale Ausstrahlung ihres Mannes in den Mittelpunkt rückt, bleibt Barack Obama in Bezug auf seine Person extrem bescheiden. Für ihn ist das Team das A und O, auch wenn er durch große Widerstände und ständig auftauchende Probleme an Resolutheit gewinnt. Auf den Wirbel der Medien und der Öffentlichkeit hätte er verzichten können. Die politische Arbeit aber liebte er, „auch wenn sie mich nicht zurückliebte“, wobei er sich zuweilen wie der Fischer in Hemingways „Der alte Mann und das Meer“ fühlte. „Während ich versuchte, meinen Fang an Land zu ziehen, nagten schon die Haie daran.“

Der Leser erlebt eine spannende Reise, angefangen von Obamas Nerven zerreißendem Engagement bei den Vorwahlen über den Wahlkampf mit seiner charismatischen Rede „Yes we can“, seiner Ernennung zum US-Präsidenten 2008 und die ersten drei Regierungsjahre voller Hiobsbotschaften und seines internationalen diplomatischen Wirkens. 

Unter dem Druck der Lehmankrise und der damit einhergehenden Rezession und Arbeitslosigkeit konnte Obama seine großen Versprechungen bezüglich Gesundheits-, Bildungsreform  und Umweltschutz nur durch extreme Zugeständnisse an die Republikaner realisieren. Sie setzten ihre Mitglieder derart unter Druck, dass sie ihre Stimmen für neue Gesetze oft im letzten Moment zurückzogen. Die Kompromisslösungen führten wiederum bei den Demokraten zu Irritationen. 

Nur zu gut kann sich Obama in einfache Menschen versetzen, um ihre Enttäuschung über seine Politik nachvollziehen zu können. Schon unter Busch waren menschliche Werte unter dem rassistischen Kastensystem der Republikaner und deren Raubtierkapitalismus weit in den Hintergrund gedrängt worden. Trotzdem hielt Obama an seiner Vision fest, dass das Demokratieexperiment gerade in einem Land wie den USA mit seiner ethnischen und religiösen Vielfalt „durch harte Arbeit, Entschlossenheit und Fantasie funktionieren könne“.

Die Ehrlichkeit, mit der Obama über seine eigenen Schwächen schreibt, verblüfft. Ironisch charakterisiert er sich als jungen Lebemenschen, der seinen Psyeudointellektualismus nur zum Aufreißen von Mädchen benutzte, aber schließlich trotzdem ein Weltbild in sich formte, das auf Hilfe für die Bürger und auf sozialen Wandel zielte. Offen bekennt er „Ich war fast vierzig Jahre alt und pleite, hatte eine demütigende Niederlage kassiert, und mit meiner Ehe stand es auch nicht zum Besten.“ 

Durch seine Offenheit und Selbstzweifel wirkt Obamas Autobiografie sehr authentisch. Jeden Tag las er zum Abschluss des Tages Briefe der Bürger an den Präsidenten, um über den Tellerrand seines Amtes zu blicken. Immer wieder orientierte er sich an den Werten, die ihm seine Großmutter Toot, bei der aufgewachsen ist und die er ins Weiße Haus holte. Sie war für ihn die Heldin des Alltags, die Tag für Tag hart gearbeitet hatte, damit es ihm besser ginge. Vor diesem Hintergrund erklärt sich Obamas große Ausdauer seine Ziele zu realisieren. Durch seinen Idealismus und Mut wurde er zum Vorbild eines Demokraten, dem es um sein Volk geht und nicht um seine Macht. Er wollte „nicht Zirkuspferd, sondern Arbeitspferd sein“. Seine Botschaft war, wer Leistung bringt, sollte es zu etwas bringen können und tatsächlich lernten Kinder mehr, zumindest kurzfristig, wenn er in ethnischen Brennpunkten Reden hielt. 

Im Politalltag wurde er dagegen infolge der Immobilienblase mit extremen Problemen konfrontiert, der Automobilkrise, der Erdölexplosion vor der Küste, den vererbten verhärteten Strukturen in der Außenpolitik, der Aufrüstung in Afghanistan,  derAtomwaffen-Abrüstung, dem Absturz Griechenlands, dem Arabischen Frühling, der Blitzattacke in Libyen, dem eigenständigen Handeln des Pentagons über den Kopf des Präsidenten hinweg, ganz zu schweigen von der polemischen, oft sehr Republikaner freundlichen Berichterstattung, deren Populismus intellektuelle Standards erodierte und Schritt für Schritt den Nährboden für Trump bereitete.

In dieser Komplexität der Probleme musste Obama erkennen, dass eine progressive  Zerschlagung alter Konstrukte nicht möglich war. Immer stärker wandelte er sich vom idealistischen Innovator zum pragmatischen Reformer mit konservativem Hintergrund immer in Diskussion mit seinem Team, dessen Mitarbeiter er ganz bewusst  mit ganz konträren Lebensläufen und Einstellungen auswählte, um ein breites Spektrum von Sichtweisen zu hören und die eigenen Visionen an den unterschiedlichen Realitäten zu prüfen. Es waren durch die Bank Berater mit großer Erfahrung und Integrität, ausgeglichenem Temperament und überdurchschnittlichem Engagement. Überaus loyal behandelte Obama seine Mitarbeiter, insbesondere Hillary Clinton, zuerst Konkurrentin, dann seine hochgeschätzte Außenministerin. Mit ihrer Hilfe konsolidierte er die USA wieder als loyale  Weltmacht. Mit seinen internationalen Gesprächspartnern geht Obama kritischer um. Er lässt sich nicht blenden, weder von Macron noch von Netanjahu, konnte mit Medwedew, nicht mit Putin. Merkel und Deutschland haben in der Autobiografie keinen großen Stellenwert. Obama erwähnt  nur ihre blauen Augen, in denen ihre Emotionen blitzschnell wechselten und ihre Mimik, gewohnt immer Unangenehmes in Angriff nehmen zu müssen.

Wegen der zahllosen Kompromisse Obamas wurde innerparteilich Kritik immer öfter hörbar und nicht zuletzt durch das „Warum-wählen-wenn-sich-nie-etwas-ändert-Syndrom« mussten die Demokraten bei den Zwischenzeitwahlen herbe Einbrüche einstecken. Aber „Ein verheißenes Land“ lässt Obama nicht in der Krise enden. Mit der Aufspürung und Liquidation des Terroristen Osama bin Laden, Anführer von al Quaida  endet Obamas politische Odyssee glorreich und heldenhaft wie ein Hollywood-Thriller. Durch seinen Mut und das Können seiner Spezialeinheit wurde das Unmögliche möglich. Man darf auf Teil 2 der Obama-Autobiografie  gespannt sein. 

Buchrezensio von Barak Obamas "Ein verheißenes Land" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Barack Obama „Ein verheißenes Land“, Penguin Verlag, München, 979 S.