@Michaela Schabel
„Nachts. Clubkultur in München“ spiegelt im Titel die zweiteilige Struktur der Ausstellung. „Nachts“ verhandelt Themen wie Gender, Sexualität, Gemeinschaft und deren Codes, Rausch und Euphorie, Ge- und Missbrauch legaler und illegaler Drogen. „Die Clubkultur“ beleuchtet das Münchner Nachtleben als wichtigen Kultfaktor und Katalysator der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart, punktet mit Persönlichkeiten wie Freddie Mercury, der im „Mrs. Hendersen“ einen Jubiläumsgeburtstag feierte, dem er im Musikvideo zu „Living on my own“ ein popkulturelles Denkmal setzte, oder mit dem Auftritt von Jimi Hendrix im Beat-Keller Big Apple. Hape Kerkeling und Guido Westerwelle waren berühmte Gäste im „Morizz“. Der Club wurde 1991 in der Klenzestraße 43 eröffnet und avancierte schnell zum Mittelpunkt der schwulen Community im Münchner Glockenbachviertel.
Ein Stadtplan verdeutlicht die extreme Verdichtung von Clubs und Bars im Münchner Innenstadtbereich seit den 1950er Jahren. Durch die Farbgebung lassen sich Nachtgebiete identifizieren, die es schon seit den 1950er Jahren gibt.
Interaktiver Stadtplan von München mit Nachlokalitäten ©Mediengestaltung: Media Connect
Durch nachgebaute Rauminstallationen oder Raumzitate in Glaskästen mit besonders markanten Requisiten kann man noch einmal legendäre Locations erleben. Kein Raum gleicht dem anderen. Jeder Club spiegelt ganz speziell seine Zeit mit ihren Trends und architektonischen Handschriften. Dabei führt die Entwicklung von den ersten Beatschuppen über Techno-Clubs bis zu Edel- und Großraumdiscos. Manchmal sind es nur Bilder, die ahnen lassen, wie es sich angefühlt haben muss, sich in diesen Räumen auszutoben.
Der „Blitz Club“, 2017 auf der Museumsinsel in den Räumlichkeiten der ehemaligen Kongresshalle des Deutschen Museums eröffnet, will ein möglichst perfektes Sounderlebnis schaffen, weshalb man versuchte rechte Winkel im Raum zu vermeiden, Buchenholz statt Stahlblech und Beton verwendete. Akustik-Designer entwarfen die Raumstruktur. Ein Relief von Wandpaneelen, die den Schall über das gesamte Frequenzspektrum absorbieren, prägt den zweiten, etwas kleineren Tanzraum.
Second Floor im „Blitz-Club“, 2017©Simon Vorhammer
In der Großküche der Kantine des alten Münchner Flughafens entstand als Zwischenlösung 1992 der Technoclub „Ultraschall“ , der durch seine industrielle Optik, intensiven Lichtinstallationen und internationalen DJs schnell bekannt wurde. Verloren geglaubte Orte wie zum Beispiel das Atomic Café werden wieder zum Leben erweckt. Objekte, Einrichtungsgegenstände und Fotografien aus dem „Morizz“, „Ultraschall II“, dem Flughafen Riem, dem Kunstpark Ost oder der Registratur erinnern an typische und außergewöhnliche Nächte vergangener Zeiten.
Ledersessel aus dem „Morizz“, 1991©Privatarchiv
Die Regeln waren und sind klar festgelegt.
„Nachts. Clubkultur in München“©Michaela Schabel
Es dauert, bis man das verschachtelte Museumsareal abspaziert. Wirkliche Clubstimmung kommt dabei nicht auf. Die ausgestellten Kostüme wirken bieder museal und das einzige Drag-Kostüm erinnert eher an Fasching.
©Michaela Schabel
Der Soundmix in Endlosschleife bleibt dezent und verliert spätesten in der vierten Wiederholungs von „Twist again“ seine Belebungsenergie. Umso mehr spiegelt die Ausstellung angesichts der vierten Steigungskurve des Corona-Virus die existenzgefährdende Situation der Clubs, geschlossen und leer, wie dies eine Bildstrecke von leeren Eingängen Münchner Clubs im ersten Lockdown 2020 dokumentiert. Insgesamt hinterlässt der museale Überblick ein nostalgisches Gefühl. So war das früher.