München – „Mythos Spanien. Ignacio Zuloaga (1870-1945)“ in der Hypo-Kunsthalle

„Das Opfer der Fiesta“, Ignacio Zuloaga, 1910©Arte Ederren Bilboko Museoa, Museo de Bellas Artes de Bilbao, Foto: Michaela Schabel

Was fasziniert so an diesem realistischen Maler? Es sind seine Motive, denen die Ausstellung in neun Kapiteln folgt, und dabei den Werdegang Ignacio Zuloaga in seinem künstlerischen Kontext sehr übersichtlich und informativ darstellt. In Paris lebend blickte er von außen auf seine Heimat, die er sozusagen den Parisern über seine Bilder vermitteln wollte. Ihn interessierten vor allem die Menschen in Spanien, nicht die Städter, die malte er in Paris in den Cafés oder im Studio als Auftragsarbeiten, nicht nur die eleganten Herrschaften. An den verschatteten Augen schöner Frauen wird ihr sozialer Abstieg ins Prostituierten- und Drogenmilieu spürbar und später in den Werken der Flamencotänzerinnen der Charme der Französinnen. Er malte realistisch, ließ den  Seelengrund aufleuchten und gleichzeitig typisierte er.

Seiner Meinung nach war Spanien „das letzte Land der Kunst auf der Welt, mit unseren Dörfern , unseren Trachten, unserem Stierkampf unseren jahrhundertealten Riten, unseren Prozessionen, unseren Bräuchen. Bei uns lebt und vibriert die Vergangenheit noch, während anderswo nichts von ihr übrig geblieben ist.“ Deswegen malte er Toreros und Flamencotänzerinnen, in der Tradition von Diego Velázques und Francisco de Goya, die Außenseiter der Gesellschaft,  Bettler, Kleinwüchsige und Hexen. Mit diesen Stereotypen wollte Ignacio Zuloaga die Seele Spaniens bewahren und über die Grenzen hinaus bekannt machen, was ihm Jubel in Paris und Deutschland einbrachte, doch Ablehnung in Spanien, wo man ihm vorwarf, seine Kunst zeige nur das „España negra“, die Schattenseiten Spaniens, und  reduziere Spanien auf die Klischees von Außenseitern.

Die Kritik ist nicht unberechtigt, aber die Art, wie Ignacio Zuloaga malt, verwandelt das Klischee zuweilen in Mythos. Im Stierkampf lässt er das religiöse Ritual und auch die Aufstiegshoffnungen der jungen Toreros aufleuchten. Der Picador verlässt als „Opfer der Fiesta“ den Stierkampf. Ob die jungen Toreros zu Idolen werden, dazu bedarf es noch todesmutiger Kämpfe. 

Umgekehrt überhöhte Ignacio Zuloaga das Klischee der exotischen Andaluserin. Die französische Sängerin Cucienne Bréval malte er schon ein Jahr vor ihrem Auftritt in der Pariser Oper als verführerische Carmen. Mit ihrer Anmut und  dem Manton de Manila wurde sie stilbildend.

In Zeiten der Fotografie malte Ignacio Zuloaga seine Porträts, die sehr stark nachgefragt wurden, ganz bewusst in altmeisterlicher Manier. In Segovia, wo er  mit seiner Familie einige Jahre lebte und seine produktivste Schaffensphase hatte, porträtierte er die Würdenträger und einfache Menschen der Stadt in archetypischer Aura mit braungebrannten Gesichtern, ernster oder fröhlicher Mimik vor monochromen Hintergrund, der Intimität schuf, und mit vielen Dekors, um den Porträtierten zu charakterisieren.

Ganz anders, sehr reduziert wirken er die kargen Landschaften Kastiliens, die später den „nationalen Mythos“ dieser Region begründeten. Unter weiten Horizonten arbeitete er nur die markanten Landschaftsstrukturen, Reliefkanten und Flussverläufe heraus. Die Weite und Hitze Kastiliens offeriert er durch die Farben Blau, Gelb und Graurot. Modernisierungen wurden ausgeblendet, dafür Landschaften zuweilen mit berühmten Schriftstellern und Künstlern kombiniert. À la Johann Heinrich Wilhelm Tischbeins Bild „Goethe in der Campagne“ taucht hinter der wuchtigen Figur José Ortega y Gassets in der Ferne El Escorial auf. Zum Mythos Spanien trugen auch seine religiösen Bilder einen wichtigen Beitrag, ohne dass latent ironische Verweise bislang rezipiert wurden. Für den „Kardinal“ stand ein alter Arbeiter Modell. Interessant ist eine kleine mediale Dokumentation über Ignacio Zuloagas Rezeption in Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus und der Film über sein Leben und Schaffen.

Auf die maltechnische Entwicklung Ignacio Zuloagas wird auf den Informationstafeln nur wenig eingegangen. Aber gerade die Schlüsselwerke wie „Das Opfer der Fiesta“ (1910) oder die „Frauen von Sepúlveda“ (1909) verdeutlichen den Wandel von der realistischen plastischen Darstellung zu großflächigen Farbflächen mit aufgeladener Symbolwirkung. Diesbezüglich werden sicherlich noch kunsthistorische Beurteilungen nachgeliefert. 

Ausstellung "Ignacio Zuloaga" in München präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Frauen von Sepúlveda“, Ignacio Zuloaga,1909©Ayuntamiento de Irun, Foto: Michaela Schabel

Die Ausstellung „Mythos Spanien. Ignacio Zuloaga (1870-1945) in der Münchner Hypo-Kunsthalle ist noch bis zum 4. Februar 2024 zu sehen.