„Romantische Landschaft“, Wassily Kandinsky©Lenbachhaus München, Foto: Michaela Schabel
Die Ausstellung beginnt bei den Wurzeln des Blauen Reiters um die Jahrhundertwende. Sie reichen von den Secessions-Bewegungen um 1900 bis in den Jugendstil und Impressionismus zurück. Dazu zählen die Jugendstil-Künstlerin Katharine Schäffner mit ihrem dynamischen und die Abstraktion antizipierenden Druckwerk und Gabriele Münters durchkomponierte Naturbilder. Volkskunst, Kinderkunst, japanische Holzschnitte, bayerische Hinterglasbilder inspirierten die KünstlerInnen des Blauen Reiter.
Hinzu kam der intensive künstlerische Austausch innerhalb der Mitglieder. Zwischen Gabriele Münter, Wassily Kandinsky, Franz Marc, Maria Franck-Marc, August Macke, Alexej Jawlensky, Marianne von Werefkin, Robert Delaunay und Elisabeth Epstein entwickelte sich eine starke Gruppendynamik. Gemeinsam suchte man nach „einer neuen Sprache“, was den erweiterten Titel der „Blaue Reiter“-Ausstellung“ erklärt und ihren Reiz ausmacht. Dabei geht es nicht um formale Aspekte, sondern um die Zielsetzung das Unsichtbare des subjektiv Erlebten sichtbar zu machen und den Blick auf die Vorgeschichte und Nachwirkungen zu lenken.
Die Ausstellung mit ca. 240 Bildern avanciert zum Exkurs durch die Geschichte der Malerei, in der man etliche charismatische Bilder wieder trifft und viele neue Werke entdecken kann. Man kennt Franz Marcs blaue und rote Pferde aus den Schullesebüchern. Jetzt sind seine frühen impressionistischen „Weidenden Pferde“ zu sehen. Kandinsky überrascht mit einer sonnig farbfrohen Ansicht von „Murnau – Grüngasse“, Alexej von Jawlensky mit dem Porträt „Der Bucklige“, nur drei Jahre später mit dem expressionistischen Frauenporträt „Reife“ bis hin zu seinen völlig reduzierten Porträts.
„Reife“, Alexej von Jawlensky, 1912©Lenbachhaus München, Foto: Michaela Schabel
Gleichzeitig wird deutlich, wie der Weg des Blauen Reiters in die Abstraktion zum Ausdruck eines spirituellen Denkansatzes wird, insbesondere bei Kandinsky. Er sah den Künstler als Führer in eine neue Epoche, in der die abstrakte Kunst durch ihren Universalismus den Weg bereitet. Über verschlüsselte figurative Fragmente fand er kurz vor dem Ersten Weltkrieg in seinen großen „Improvisationen“ und „Kompositionen“ eine dynamische Auseinandersetzung mit Farbe und Linie den Weg in die Abstraktion, Franz Marc über die reduzierte Formensprache des Kubismus und Futurismus.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 markiert das Ende des Blauen Reiters. In den Kriegs- und Exiljahren finden die KünstlerInnen jedoch zu neuen Bildsprachen, aber nach dem Krieg wurde die Abstraktion als „formale Spielerei“ abgetan. Durch den nüchternen Blick auf die Wirklichkeit und damit verbunden auf eine neue Figürlichkeit entwickelte sich die „Neue Sachlichkeit“. Das „Bauhaus“ wurde zum Ausdruck des künstlerischen Pluralismus. Die Abstraktion fand neue Gestaltungsprinzipien, Expressionismus verband sich mit Realismus. Mit Dadaismus und Surrealismus entstanden ganz neue Spielarten. Diese Vielfalt kam unter dem Nationalsozialismus völlig zum Erliegen.
In die Neupräsentation integriert ist ein kuratierter Bibliotheks- und Filmbereich. Die Literatur umfasst Diskurse und Themen über das Konzept der Abstraktion und sozialgeschichtliche Fragestellungen wie etwa die Beziehungen des Blauen Reiters zum Exotismus und Kolonialismus. Über die Filme, damals noch ein junges Medium, wird auch in diesem Bereich das Bemühen um eine neue Sprache und deren Einfluss auf KünstlerInnen wie Gabriele Münter deutlich.
„Der Blaue Reiter. Eine neue Sprache“ im Lenbachhaus München ist bis Ende März 2025 zu sehen.