Landshut – „Luftlinie“ – Arbeiten der Neuen Münchner Künstlergenossenschaft

Neue Münchner Künstlergenossenschaft präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Balance“, Susanne Thiemann©Michaela Schabel

Ca. 60 Kilometer Luftlinie trennen München und Landshut geografisch. Die Ausstellung betont dagegen das Verbindende wie Christian Heß’ beschwingte Tuschlinie über 21 Briefformate auf zwei Wänden über eine Galerie-Ecke hinweg oder Susanne Thiemanns überflochtener Kunststoffschlauch, den die herausquellenden rosaroten Fäden als gedankliche Luftlinien symbolisch in „Balance“ halten.

Den Kuratorinnen Tatjana Utz, Barbara Regner und Monika Humm gelingt das Kunststück die unterschiedlichsten Arbeiten in optischer Ästhetik zu präsentieren und narrative Motivgruppen zusammenzustellen in linearer Abfolge versteht sich, zumindest wenn man den Nummerierungen folgt. 

Frauke Sohns „Wasser“ in Öl auf Leinwand gemalt, eine der besten Arbeiten, chargiert, je zwischen bewegter Fläche und bergiger Haptik, bedingt durch die linearen Strukturen der Wellenkämme, die sich schroff gegen den Horizont absetzen, der gar nicht zu sehen ist, doch die Unsichtbarkeit der Luftlinien spürbar macht.

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„Wasser“, Frauke Sohn©Michaela Schabel 

Felix Weinold lässt romantisch Licht in den Wald fluten, das die Bäume allerdings regelrecht deformiert, die „Lichtung“ weitet. Durch geometrische Linienfelder im oberen Bildbereich wirkt das Szenario wie ein Ausblick aus einem Fenster mit nicht ganz hoch gezogener Jalousie und verbindet so raffiniert Linien-Realität und phantastische Luftfiktion.

Andere Arbeiten reduzieren „Linien“ auf homogenem Untergrund ins Abstrakte (Susan Stadler), als schräg gestellte Papiere mit feinem Farbrand in Rahmenkästen (Christine Ott), schwarze Umrisslinie einer „Parkgarage“ als Wandrelief (Patricija Gilyte) oder als Eva Ruhlands „Triage“, ein dreidimensionales Mobile aus rechteckigrn, weißen Rahmungen.

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©Michaela Schabel

Mit einer subtilen Zeichnung auf Organza aus der Serie „Gewölbevariationen“ lässt Angelika Hoegerl Luftlinien assoziieren.

Andere Künstler beziehen mitmenschliche Kontakte mit ein. Anna Frydman genügen kleinformatige Stillleben mit Tisch und zwei Stühlen um Luftlinien der Kommunikation zu visualisieren. Nausikaa Hacker zieht in ihrem Objekt „Vertikal“ eine weiße Schnur Richtung Decke, die sich ganz nah betrachtet als akrobatische Kette winzig übereinander geschichteter Menschen als ironische Himmelsstürmer enthüllt. Auch Barbara Regner stellt in ihren gestickten Porträts auf Papier durch grobe Linien die Aura ihrer „Helden“-Porträts  in Frage.

Noch viel deutlicher und bissiger decouvriert Esther Glück mit ihrer Videoinstallation „Brief an Alice Weidel“ die politische Luftlinie dieser rechten Politikerin. Wie in Heinrich Heines „Belsazar“ mit unsichtbarer Hand geschrieben erscheinen auf weiß reinem Quader auf grau melierter Schreibfläche fiktive Briefpassagen, die genau ins Zentrum ihrer Verantwortungslosigkeit zielen, indem Weidel durch ihre stereotypen Sprachmuster pauschalierende Unmenschlichkeit und Gewalt propagiert. Die Sätze verschwinden wie ausradiert, formieren sich neu, markante Wörter wie „Macht“ etwas später, um sie noch stärker bewusst zu machen. Doch letztendlich bleibt der Brief – leider – ungeschrieben und hängt als graues, ausradiertes „Luftbild“ an der Wand als Zeichen zu wenig geleisteten Luftwiderstands. 

Die Ausstellung „Luftlinie“ ist bis zum 6. Februar im Landshuter Kunstverein zu sehen.