©Michaela Schabel
Es ist ganz erstaunlich, welch spannendes Konzert Andreas Schett, Trompeter, Komponist und künstlerischer Leiter der Ostiroler „Musicbanda Franui“, zum traditionellen „Ausklang“ am Erntedankwochenende in Erl kuratierte. Fünf hochprofessionelle Ensembles mit 30 Interpretationen von insgesamt 25 MusikerInnen und einer Sängerin begeisterten das Publikum, nicht, das ist der Clou, im bloßen Nacheinander, sondern überaus geschickt nahtlos verwoben…
Der Endton wurde zuweilen der Auftakt des nächsten Stücks, durchwegs kurze Kompositionen, so dass jede Interpretation wie eine Rakete zündete und neue Facetten der Musik zum Leuchten brachte, woraus sich vor allem im ersten Teil ein ungewöhnlich abwechslungsreiches und mitreißendes Programm ergab.
„tuba & harfe“, „Dandelion Quintett“ und „Diatonische Expeditionen“ entwickelten ein musikalisches Feuerwerk, in dem Klassik, zeitgenössische Musik und moderne Volksmusik neue Hörerlebnisse ermöglichten. Andreas Martin Hofmeir und Harfenist Andreas Mildner überraschten allein schon durch die konträren Instrumente mit einem extrem großen Tonspektrum aus abgründiger Tiefe bis in himmlische Höhen. Ihr Intermezzo sinfonico aus Mascagnis „Cavalleria rusticana“ ließ aufhorchen, bestach als wohltönender „Ausklang“, gleichsam als „Einstieg“ in die innovative Spielsaison unter der neuen Intendanz von Jonas Kaufmann durch die Eigenkompositionen Hofmeirs inspiriert von Arien aus „Tosca“, „Carmen“ und „Tannhäuser“, witzig von Hofmeir selbst anmoderiert. „Opern sind etwas Wunderbares, wenn der Gesang nicht wäre und der Text.“ Klangintensiv, zunächst wohlintoniert, zunehmend frecher und jazziger, immer rasanter, dynamischer mit herrlich parodistischen Schrägtönen wurde jede Interpretation zum spannenden Hörerlebnis.
Mit Oboe, Flöte, Klarinette, Fagott und Horn entführte das junge Münchner „Dandelion Orchester“ in György Ligetis experimentelle Klangwelten. Der Name, zu deutsch „Pusteblume“, versinnbildlicht bestens die hohe Virtuosität und Spielfreude dieses Ensembles, das Ligetis anspruchsvolle „Sechs Bagatellen für Bläserquintett“ (1953) sehr markant, witzig pointiert als überaus erfrischendes Dialogisieren interpretierte, im wahrsten Sinne des Wortes ein filigranes „Windspiel“, das sie Anfang des Jahres als Debüt-Album herausbrachten.
Dazu bildeten die „Diatonischen Expeditionen“ mit volkstümlich tänzerischen Eigenkompositionen von Alexander Maurer einen herrlich emotional beschwingten Kontrast. Als Experte der Steirischen Harmonika lotete er experimentierfreudig deren stilistische Facetten im klanglichen Umfeld von Harfe, Hackbrett und Klarinette in mitreißender Dynamik aus und überraschte final mit Piazollas „Escualdo“-Version für Bassklarinette.
Nach der Pause lag der Schwerpunkt in der klassischen Musik. Hochkarätig, sehr dynamisch und ausdrucksstark interpretierte das „Simply Quartet“ die fünf Sätze von Béla Bartoks Streichquartett Nr. 4 tiefgründig als Spiegelung psychischer Prozesse zwischen nervlichem Flirren, depressiven Abstürzen und himmelstürmender Euphorie, erweitert durch Antonín Dvoráks finalen Satz aus dem „Streichkonzert Nr. 12“.
Dazwischen brillierte Nikola Hillebrand mit Liedern von Franz Schubert, wobei sie ihren kraftvollen Sopran von den „Trockenen Blumen“ über „Seligkeit“ bis zur „Mondnacht“ immer expressiver entfaltete und bei den Kraler-Schett-Bearbeitungen von Richard Strauss’ „Morgen“, noch mehr bei Paul Abrahams Operettenhit „Toujours l’amour“, begleitet vom „Musicbanda Franui“ mit betörendem Stimmvolumen und dem verführerischen Charme der 1920er Jahre auftrumpfte.
©Tiroler Festspiele Erl, Foto: Johannes Scheffold
Die Osttiroler „Musicbanda Franui“ hat sich auf den Spuren weniger bekannter Volksmusik zu einer famosen Crossover-Band entwickelt. Unter der Leitung von Andreas Schett vertonen die zehn MusikerInnen, Bläser, Streicher und Zupfer, mit originellen Klangeffekten, wechselnden Rhythmen, tonalen Schräglagen und parodistischen Dysbalancen überaus kreativ volkstümliche Weisen in ganz unterschiedlichen Varianten zwischen harfenzarter Annäherung und bläserschriller Trunkenheit, eben so wie das Leben ist, kunterbunt, mitunter chaotisch, witzig und selbstironisch wie Kraler-Schetts Version „Alptraum eines österreichischen Komponisten“ nach Franz Schuberts „Deutschen Tänzen“.
Jedes Ensemble für sich ist einzigartig. Die Synergieeffekte waren großartig, die Zuschauer begeistert. Das Publikum erklatschte eine Zugabe, die natürlich eingeplant war, sogar zusammen mit einer Kostprobe Jonas Kaufmanns, der leider wegen Erkrankung absagen musste.