©Deutsche Oper Berlin
Verdi lässt „Macbeth“ knallhart in den Abgrund stürzen, inszeniert von Marie-Ève Signeyrole, die vom Film kommt. Das hört sich nach Blockbuster an, ist…
es in gewisser Hinsicht auch, weil sich die filmischen Mittel stark in den Vordergrund drängen, womit Signeyrole „Macbeth“ ins Heute aktualisieren will. Statt drei Hexen prophezeit eine KI-Lady aus Binärcodes in Influencer-Optik zusammengepuzzelt, wohin die Reise der Macht geht, die jetzt überall gleichzeitig auf der Welt als permanente Verschwörung der Herrschenden das Sagen hat. Und ebenso schnell wie erschienen, löst sich die Lady über der rauen Nordsee wieder auf, die nicht nur fast aktsynchron die Unausweichlichkeit des Schicksals ins Bewusstsein holt, sondern auch über die Verbindung zum britischen Ölgeschäft und projizierte Titel und Texte die Machenschaften der Mächtigen in die Gegenwart transponiert. Über „Krieg und Frieden“, „Land lebe der König!“ und den „Leeren Stuhl“ spitzt sich die Tragödie nach der Pause über die „Blutsaaten“ zu einem grausigen „Schachmatt“ zu. Hier wird nicht über Gut und Böse verhandelt, sondern über zweimal Böse und für die Oper sehr ungewöhnlich von Verdi konzipiert, auf Bariton- und Sopranebene.
Die Bühne, reduziert auf flexible, geometrisch gespiegelte Raumstrukturen, Bildflächen und Schaukästen, doubelt das böse Intrigenspiel des Herrscherpaares, ihre gegenseitige Verfremdung und das Abtauchen in Halluzinationen und schafft gleichzeitig einen gelungenen Spannungsbogen zwischen opulenten Chorszenen, Festivitäten und psychotischer Abgründigkeit.
Als roter Faden leuchtet immer wieder des Hirschmotiv auf, über das plakative Symbol für Macht und Machismo hinaus als mythische Metapher für Fruchtbarkeit und neues Wachstum, spirituelle Entwicklung und Erneuerung.
©Deutsche Oper Berlin
Über eine Live-Kamera wird krudes Morden emotional herangezoomt, gleichzeitig über die Vogelperspektive kühl distanziert. Dabei zieht die Filmebene wie so oft bei derart hybriden Inszenierungen derart in ihrem Bann, dass Bühnenspiel und Musik zur Nebensache degradieren, zumal die Personenregie ohnehin vernachlässigt wird und der extrem große Chor in Schwarz-Weiß-Optik das Geschehen als Blick in eine Zukunft KI-generierter stereotypischer Roboter dominiert.
Sängerisch sehr gut besetzt, überzeugt Bariton Roman Burdenko als Macbeth insbesondere durch seine satte Tiefe und sein wuchtiges Stimmvolumen. Felicia Moore brilliert durch ihre facettenreiche Intonation von fulminanten bis schwerelos subtilen Höhen bis zum hohen C, durch abgründige Tonsprünge, doch von der erotischen Magie, Motiv für ihren Einfluss auf Macbeth, ist überhaupt nichts zu spüren. So fehlt das Salz in der Suppe, die emotionale Spannung zwischen Macbeth und seiner Lady. Er hat Potenzprobleme. Woher kommen dann die Blutspuren auf ihrem weißen Kleid als Hinweis auf ihre Fehlgeburten? Durch künstliche Befruchtung, wie eine Video zeigt? Immer wieder fokussiert die Inszenierung auf die Gegenwart, auf Reflexion statt Emotion.
Für ein sängerisches Déjà-vu-Erlebnis sorgte in der besuchten siebten Vorstellung die kurzfristige Einbindung des südkoreanischen lyrischen Tenors Jaesung Kims als Macdouff für den erkrankten Andrei Danilov, der nur den Spielpart übernehmen konnte. In einer einzigen Arie machte er Verdis hochemotionale Dramatik und berührende Klangschönheit hörbar, die danach auch insgesamt erlebbarer wurde.
Ein Opfer der Bildmagie wurde auch das Orchester, wiewohl Enrique Mazzola Verdis Macbeth überaus subtil und differenziert im Dienste der Sänger dirigierte. Überaus empathisch begleiteten SolistInnen und Orchester die Gesangslinien, selbst im dreifachen Fortissimo blieb die Balance zwischen SängerInnen und MusikerInnen harmonisch erhalten. Mazzola gab Klarinette und Englischhorn Raum für atmosphärische Tiefe, überraschte mit abrupten Tempowechseln, dynamischem Spannungsaufbau und final durch Macbeths Todesarie „Mal per se“ aus der ersten Fassung 1847, die wesentlich innovativer als die zweite ist.
Doch die Bilderflut drängt sich vor. Schon oftmals besprochen und kritisiert, bereits von Castorf bis zum Exzess ausgelotet, wirken die videobasierte Inszenierungen kontraproduktiv, wenn sie das emotionale Erleben der Musik nicht steigern, sondern durch ständige intellektuelle Impulse die musikalische Authentizität reduzieren.
Künstlerisches Team: Enrique Mazzola (Musikalische Leitung), Marie-Ève Signeiyrole (Inszenierung), Fabien Teigné (Bühne), Yashi (Kostüme), Artis Dzerve (Video), Sascha Zauner (Licht), Jeremy Bines (Chöre), Louis Geisler, Konstantin Parnian (Dramaturgie)
Mit: Roman Burdenko (Macbeth), Byung Gil Kim (Banquo), Felicia Moore (Lady Macbeth), Nina Solodovnikova (Kammerfrau der Lady Macbeth) Andrei Danilov (Macdoff), Kangyoon Shine Lee (Malcolm), Stephen Marsh (Diener Macbeths, Herold), Joel Allison (Arzt, Mörder), Dana Marie Esch (Oberhexe), Robert Hebenstreit (Duncan), Emil Pyhrr (Fleance), Pierre Emö (Hierschmann, Kathrin Krottenthaler (Live-Kamera) und dem Orchester der Deutschen Oper Berlin