©Nicola Dove Danjaq
So rettet Daniel Craig, zum fünften und letzten Mal James Bond, wieder einmal die Welt, aber durchaus anders als bisher, zwar immer noch als smarter Superheld einer gegen alle, allerdings weniger jugendlich als altersweise abgeklärt.
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Die Grundstruktur bleibt. Die rasanten Verfolgungsjagden, zunächst im schicken Oldtimer, ganz unerwartet panzermäßig aufgerüstet, oder in einem simplen Geländewagen mit originellen Kampfstrategien. Manchmal hilft eben auch ein einfach gespanntes Seil, um Verfolgungskonvois außer Gefecht zu setzen. Die kleinen überraschenden Details, die 007-Fans so lieben, gibt es genauso wie packende Panoramabilder aus der Vogelperspektive. Großartig wirkt das süditalienische Matera durchwirkt von kleinen Feuern, in denen auf Zetteln geschrieben die Bürden des alten Lebens verbrannt werden, um sie loszuwerden, was eben nicht so leicht funktioniert, wie „Keine Zeit zu sterben“ vor Augen führt.
Doch in vielerlei Hinsicht leitet dieser James Bond eine neue Ära ein, weg vom Glamour verführerischer Glitzerwelten. Leider nur in einer Szene erlebt man die bezaubernde Bond-Agentin Ana de Armas, bildschön und überaus charmant, klug und eine elegante Kämpferin bringt sie weiblichen Bond-Girl-Mythos ein, womit eines der wichtigsten Markenzeichen der James-Bond-Filme auf ein Minimum beschränkt wurde. Und seine legendäre Bestellung „Wodka Martini geschüttelt, nicht gerührt“ bleibt auf diese Szene beschränkt. Wie überhaupt Trinken und Rauchen als Lifestyle-Motive in den Hintergrund treten.
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Fünf Autoren haben am Drehbuch mitgearbeitet, neben 007-Altveteran Neal Purvis, Robert Wade, Cary Fukunaga, Scott Z. Burns und, auf besonderen Wunsch Daniel Craigs, die mehrfach Emmy-prämierte Autorin Phoebe Waller-Bridge, von der die kurzen Sticheleien und emotionalen Dialoge stammen. Die Texte sind deshalb nicht besser. Daniel Craig ist kein Playboy mehr. Das Drehbuch verknüpft die komplexen Verwicklungen der Macht mit seinem Privatleben. James Bond, der Killer mit Lizenz zum Töten, sieht sich konfrontiert mit den Folgen seines Handelns, mit dem er seiner großen Liebe Madeleine (Léa Seydoux), eine unfassbare Last aufgebürdet hat.
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James Bonds Welt hat sich verändert. „Früher konnte man mit dem Feind noch in einem Raum sein und ihm in die Augen schauen.“ Jetzt übernehmen binäre Augen den Kontakt. Der Mensch ist nur noch manipulierbare Gensubstanz, einmal infiziert, nicht mehr Herr über seinen Körper. Entsprechend dystopisch ist die Szenerie.
„Keine Zeit zu sterben“ beginnt in den düsteren Farben der Taiga und endet auf einem karg grauen Inselmassiv zwischen Russland und Japan. Selbst Abstecher nach Jamaika und Kuba vermitteln weniger das Flair karibischen Farbenrausches als marodes Elend, hinter dem High-Society kurz aufblitzt, um gleich darauf mit der neuen Wunderwaffe niedergemetzelt zu werden.
Die weibliche 007, Lashana Lynch, bekannt vom Marvel Cinema Universe, als Nachfolgerin für James Bond geordert, lässt ihm zwar aus Respekt den Vortritt, aber die Doppelbesetzung wirkt, auch wenn das von offizieller Seite dementiert wird, wie ein Pilotprojekt, ob ein weiblicher James Bond künftig möglich wäre. Wohl kaum!
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Deutlich in Richtung Actionfilme verweisen die überzogenen Kampfszenen und die penetrant dröhnende Hintergrundmusik, die jeden Faustschlag intensiviert, wodurch die leitmotivische James-Bond-Melodie nur noch nostalgisch, um nicht zu sagen parodistisch anklingt.
Abgesehen von Naomie Harris als Moneypenny, die mit ihrem beliebigen Einheitslächeln der Schlusssequenz jegliche Authentizität nimmt, ist die Besetzung zwar hochklassig, aber das schauspielerische Potential wird von Cary Fukunaga wenig genutzt. Zur Rolle Rami Maleks als Bonds mysteriöser Gegenspieler passt allerdings die statische Konzeption. Er überzeugt durch leicht entstellte Optik, sein geheimnisvolles pathologisches Charisma und seine smarte Stimme.
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Dass er kein üblicher Killer ist, zeigt sich, dass er Kindern nichts zuleide tut. In Augenhöhe mit Bond verwischen sich die Grenzen von Gut und Böse. Beide töten nur unter verschiedenen Visionen.
„Keine Zeit zu sterben“ signalisiert eine ambivalente Wende. Auf der Suche nach Innovation degeneriert James Bond vom Kult zum trivialen Thriller nach nostalgischem Muster und zur zuckersüßen Lovestory.