©Budapester Oper, Péter Rákossy
Regisseur Andreas Almási-Tóth fusioniert Film und Bühne, ergänzt mit Tanz, wobei das ermordete Liebespaar choreographisch immer wieder als blutüberströmte Schuldmetapher auftaucht und in der Farbsymbolik die latenten Emotionen aufflammen.
Im Prolog erzählt ein filmisches Schattenspiel parallel zur Ouvertüre die Vorgeschichte. Ein Pärchen tanzt und liebt sich in freier Natur, während das Orchester unter der Leitung von Kornél Thomas temperamentvoll Heggis Motivik zwischen Liebe und Tod in flirrenden Klangstrukturen anklingen.
Das Pärchen wird ermordet. Helen, eine Nonne, in der Budapester Version zunächst sehr zugeknöpft mit weißer Buse und hellblauer Jacke will sich altruistisch um das Seelenheil des Mörders kümmern. Ruhig, gefestigt steht sie auf der Bühne, während die Straße dahinter via Film rasant zurückweicht und ihre Reise suggeriert. Im Gefängnis schaffen rechtwinklige Wände beengende Räumlichkeiten. Doch durch Helens Ankunft strahlt das Besucherzimmer in Rosarot und Himmelblau.
Hier zeichnet Andrea Meláth Helen etwas unsicher. Ihre Stimme wirkt schrill, aber je mehr sie sich dem Mörder nähert, desto weicher und fulminanter klingt ihre Intonation, wodurch sie immer mehr das Mitgefühl für den Verbrecher vermittelt.
Die aufkeimenden Gefühle kann man verstehen. Máté Sólyom-Nagy wirkt als Joseph alles andere als ein Mörder, zeigt mehr Facetten zwischen Angst und Hoffnung, bleibt stimmlich eher zurückhaltend, wo man brachiale Vehemenz erwarten könnte.
Das übernimmt Tenor Péter Balczó, Vater des ermordeten Sohnes, mit fulminantem Tonvolumen. Den toten Sohn in den Armen werden seine Aggressionen nachvollziehbar, hör- und sichtbar, als er Helen zu Boden wirft.
Nicht minder berührt der Schmerz von Josephs Mutter. Herzergreifend, sehr subtil, innig und verzweifelt singt Katalin Károlyi deren Partitur. Und noch eine Frauenstimme leuchtet auf. In der Nebenrolle als Schwester Rose tröstet Gabriella Fodors klare, wohltuend geschmeidige Stimme in wunderbaren Pianissimi und kraftvoller Dynamik ihre Freundin Helen, als sie auch ihren Alpträumen, beschwert von den tanzenden Opfern, erwacht.
Doch im Drang Oper spannend und schillernd zu gestalten wird der Bogen vom Regieteam überspannt. Immer wieder lebt durch die Szenendramaturgie, insbesondere durch die Choreografie Musicalstimmung auf, was nicht zuletzt an Heggins Komposition liegt, die in der Vielfalt der Musikstile von immer neu anbrandenden Chromatiken, impressionistischen Klangteppichen, Blues und Gospel mehr atmosphärisch als von aporetischer Intensität und abgründiger Dramatik geprägt ist.
In rührseliger Fröhlichkeit wird der Abschied Josephs von seiner Familie als fröhliches Familienfoto dokumentiert. Völlig deplaziert, wenn auch als Metapher einer innig glühenden Beziehung konzipiert, erscheint Helen zur Todesstunde im glänzenden Abendkleid.
©Budapester Oper, Péter Rákossy
Die Todeszelle leuchtet wie eine spirituelle Verheißung auf inklusive eines pumpenden Herzens als große Projektion von Rot ins Giftgrüne übergehend mit Exitussignal. Das wirkt mehr als kitschig, verdrängt den Ernst um die Thematik der Todesstrafe und endet als opernhaft überhöhte Lovestory.