©Die Deutsche Oper Berlin/Bernd Uhlig
Sieglinde packt während der Ouvertüre schon den Koffer, um ihrer Ehetristesse zu entfliehen. Durch den Flügel, wie von einem Feuerstrahl hochgehoben, Sieglinde heroisch obenauf, präsentiert die Inszenierung gleich zu Beginn, was sie herausarbeiten will, die Freiheit und die bombastische Kreativität Wagners. Keiner der Wagnerianischen Figuren ist frei. Sie wollen ihren Zwängen entfliehen und schaffen dabei nur noch mehr Unfreiheit. So wird das Bühnenbild, gebaut aus alten Koffern, zur omnipräsenten Metapher von Flucht und Sehnsucht nach Freiheit. Sieglinde flieht aus ihrer Ehe, Wotan vor der Eifersucht Frickas, Brunhilde vor dem Zorn Wotans, umwogt von hin und her flüchtenden Statisten.
Lise Davidsens Rollendebüt als Sieglinde überstrahlt sängerisch und schauspielerisch das Geschehen. Sobald sie Siegmund (Brandon Jovanovich) als ihren Bruder erkennt, gibt sie sich ihm leidenschaftlich hin. Via Videoprojektionen (William Duke, Dan Trenchard) ergrünt eine mächtige Esche, breitet sich das Rot der Liebe aus, fluten weiße Stoffmassen a für das Brautlager auf den Flügel hinunter.
Wenn im Schlussbild der Feuerkreis, ein Riesenlaken dilettantisch auf Stangen gespannt, ironisch lodert, durch den nur der mutigste Held Brunhild erobern kann und gleichzeitig Sieglinde mittels eines verzwergt parodierten Wagners als Hebamme Siegfried gebiert, zielt das Ende bereits auf die neue Folge „Siegfried“.
Diesem gewaltigen Bühnenspektakel bietet das Orchester der Deutschen Oper Berlin trotz voller Besetzung unter dem Dirigat von Donald Runnicles wenig Paroli.
©Die Deutsche Oper Berlin/Bernd Uhlig
Wagners Musik wird zu einem sehr harmonisch atmosphärischen Hintergrund ohne dessen musikalische Eruptionen zu entfesseln. Umso mehr leuchten die Stimmen. Annika Schlicht, ganz in Weiß, präsentiert eine Fricka, die ihre rasende Eifersucht hinter der Fassade einer eleganten Lady unter Kontrolle hält. Zwischen kraftvoll resoluter Kämpferin und demütig in der Bitte um einen tapferen Eroberer in der Verbannung gibt Nina Stemme Brünnhilde stimmlich die Aura einer Frau, die ihr Schicksal mit Würde trägt. Der Ritt der Walküren degradiert mit Sturmhauben fast zu einer Faschingsveranstaltung.
Andrew Harris macht Hundling in seiner unsympathischen Grobheit sängerisch erlebbar, Brandon Jovanovich hält als Siegmund wacker dagegen. Bei John Lundgrens Wotaninterpretation vermisste man wie beim Orchester die charismatische Wucht der Bedrohlichkeit.
Trotz aller Euphorie nach der Pandemie endlich wieder große Oper zu erleben bleibt Herheims Inszenierung dieses Gefühl schuldig. Diese „Walküre“ ist durchaus originell, Lise Davidsen ein Ereignis. Musikalische Ergriffenheit vermittelt „Die Walküre“ nicht.