„Songs for Thomas Piketty“ Verhoewen ©Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH, Foto: Laurin Schmid, 2020
Die Ausstellung versammelt Werke, die sich spielerisch, aber auch sehr kritisch zwischen den unterschiedlichen künstlerischen Gestaltungsfeldern bewegen. Der Bogen spannt sich von performativen Skulpturen, Sound-Arbeiten, Installationskunst bis zu Performances. Drei Arbeiten werden exemplarisch dargelegt, um die Spannbreite und Intensität der Arbeiten darzustellen.
Dries Verhoeven lebt und arbeitet in Berlin und Amsterdam an der Schnittstelle von Performance und Installation, wobei sich Beziehungen zwischen Zuschauern, Performern, dem täglichen Leben und der Kunst verwischen. Er präsentiert seine Arbeiten nicht nur in Museen und Galerien, sondern auch in der Öffentlichkeit. Oftmals fokussiert Verhoeven auf die „Außenseiter“ der Gesellschaft und stellt die Armut ins Zentrum. In „Songs for Thomas Piketty“ untersucht er die Präsenz der Armut im öffentlichen Raum. Man hört die Stimme und den Gesang eines albanischen Obdachlosen als Endloschleife in einem Kassettenrekorder am Museumseingang. Auch wenn Betteln, wie in Bonn verboten ist, um Gefühle des Unwohlseins durch die Konfrontation mit Armut erst gar nicht aufkommen zu lassen, ist Armut präsent. Moderne Stadtarchitektur wird so konstruiert, dass es für Bettler weder Bänke zum Schlafen noch windgeschützte Nischen gibt. Wer Unbehagen hervorruft, wird subtil zum Schweigen gebracht. „Songs for Thomas Piketty“ provoziert zum Nachdenken, warum wir der Stimme des Bettlers keinen Raum geben, den Stimmen des Konsums dafür umso mehr. Wäre seine Performance nicht auch zu honorieren?
Der Engländer David Shrigley setzt Humor, schonungslose Ehrlichkeit als künstlerisches Mittel, plakative Visualität und Klischees ein, um seine Beobachtungen im Alltag und Kunstbetrieb in beißend satirische Kunstobjekte umzuwandeln. Die sind nicht nur in renommierten Galerien und Museen zu kaufen, sondern auch preiswert in Online-Shops, womit er sowohl die klassischen Begriffe von Kunstwerk und Autorenschaft in Frage stellt. Entscheidend ist für Shrigley in einer reproduzierbaren Warenwelt allein die Idee.
„The Artist“ David Shrigley (2014 )©David Shrigley. Courtesy Stephen Friedman Gallery, London,Foto: Zöhre Kurc, 2020 ©Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
So produziert in der Installation „The Artist“ nicht ein Künstler, sondern ein kleiner Staubsaugerroboter mit Perücke Zeichnungen am laufenden Band, womit Shrigley einmal mehr beweist, dass nicht die Ausführung, sondern der kreative Einfall den eigentlich künstlerischen Moment darstellt.
Simon Fujiwara, interkulturell in Japan, Spanien und Großbritannien aufgewachsen, beschäftigt sich mit den Bildern und Narrativen unserer Zeit, mit dem „Hyper-Engagement“, wie er es nennt, womit die kapitalistische Unterhaltungsindustrie unser Konsum- und Kommunikationsverhalten prägt.
Im Zentrum von Fujiwaras Installation „Empathy I“ steht ein von Freizeitparks inspiriertes 5-D-Kino. Statt einer fiktionalen Reise durch Fantasiewelten präsentiert der Künstler jedoch gefundene Youtube-Videos, die extrem emotionale oder intensive körperliche Erfahrungen zeigen. Durch deren Umsetzung in einen Simulator, dessen bewegliche Sitze der Kamerabewegung folgen, steigert Fujiwara die Beobachtung zu einer körperlichen Erfahrung. Durch die Intensität und Geschwindigkeit der Bilder entstehen übersteigerte Emotionen wie Erregung, Angst oder Freude, die, obwohl sie nur simuliert sind, real erlebt werden. Das Denken wird dabei völlig ausgeschaltet. Genau dieser emotionalen Manipulation sind wir durch die sich immer stärker beschleunigende Bilderflut ausgesetzt. Das kurzweilige Erleben hinterlässt nur eine Leere und führt zu einem sich intensivierenden Abstumpfungsprozess, bei dem selbst die schrecklichsten Bilder ihren Schrecken verlieren. Nicht nur die geistige Wachsamkeit geht verloren, sondern auch jegliche Empathie.
Zu sehen ist „State of the Arts“ bis 16. August in der Bonner Bundeskunstmuseum.