Der Drehbuch (Fatih Akin, Hark Bohm) ist überschaubar, kreist um Katja Sekerci (Diana Kruger), ihre Sicht der Dinge, ohne irgendwelche Nebenhandlungen. Bei einem Nagelbombenanschlag verliert sie Mann und Kind. Das verdächtige Neonazi-Pärchen wird wegen unzureichender Beweise freigesprochen.
In ganz kurzen Cuts mit dokumentarischer Präzision werden die Szenen aneinandergereiht, durch Überschriften auf ein Thema fokussiert. Mit der „Familie“ beginnt der Vorspann durchaus klischeehaft, Vorurteile aufbauend. Jung, blond, völlig verliebt heiratet Katja den Deutsch-Türken Nuri, der im weißen Anzug muy macho, umjubelt von seines Mitinsassen wegen Drogenhandels einsitzt.
Doch es folgt kein Multi-Kulti-Märchen, sondern ein Alptraum „Aus dem Nichts“ einige Jahre später. Katja bringt ihren Sohn zu Nuri ins Büro, eine Reise- und Übersetzungsagentur. Abends sind beide tot. Traumatisiert, völlig am Ende zieht sich Katja zurück. Der strömende Regen wird zum Spiegel ihrer Seele. Klaviermusik unterstreicht in emotionale Starre. Kühl, leer wirkt der Bungalow mit den großen Panoramascheiben. Distanziert reagieren Eltern und Schwiegereltern. Statt Mitgefühl zu zeigen klagen sie an, ebenso die Ermittlern. Statt die Anstifter recherchieren sie zunächst gegen Nuri, zu dominant ist seine kriminelle Vergangenheit. Katja verliert jegliche Bodenhaftung. Ihr Selbstmordversuch ist logisch und überrascht trotzdem, genauso wie der zweite, der glückt.
Dazwischen liegt eine argumentativ spannende Gerichtsverhandlung, die Katja immer wieder an die Grenzen der Selbstbeherrschung bringt. Mit großer schauspielerischer Authentizität macht Diana Kruger die tiefen Verletzungen und unendliche Trostlosigkeit Katjas sichtbar. Sie rastet aus, sie beherrscht sich, wird vorgeführt, geht aus der Vogelperspektive gefilmt wie ein Opfer in den Zeugenstand und wird tatsächlich vom Verteidiger der Neo-Nazis psychisch zerlegt. Ihn outet Johannes Krisch als eloquenten Fiesling, der in Großaufnahme NSDAP-Erinnerungen aufflackern lässt. Katjas Verteidiger mit Denis Moschitto ein smarter, kluger, voll integrierter Rechtsanwalt, entkräftet die gegnerischen Zeugen durch exakte Recherchen, tritt mit einer souveräne Argumentation für seine Mandantin aus. Umso unverständlicher bleibt der Freispruch des Gerichts mangels fehlender Eindeutigkeit der Beweise. In „Erinnerung“ eines kleinen Videos aus dem letzten Urlaub sucht Katja ganz allein die Mörder in Griechenland, findet sie am „Meer“. Trotz Thrillermomenten behält der Film die dokumentarische Lakonie und die Bodenhaftung der Personenregie. Alles bleibt sehr normal, weil Fatih Akim auf Katjas Wechselbad der Gefühle fokussiert. Der Blick auf einen kleinen Vogel, hält sie vom ersten Bombenattentat ab. Nach einem späteren Blick auf das Video mit Sohn und Mann und dem Angebot des Anwalts in Revision zu gehen, scheinen die Weichen zur Rückkehr gestellt. Es kommt anders. Sie bombt nicht nur die Mörder hoch, sondern auch sich selbst.
Michaela Schabel