Passau- Mozarts „Don Giovanni“ als Sexomane

Opernkritik "Don Giovanni" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Peter Litvai

Dieser Giovanni degradiert vom  Frauenflüsterer zum narzistischen Sexomanen, der ohne den Kick der Erotik nicht leben kann, verdeutlicht das  durch von der  Dramaturgin Swantje Schmidt-Bundschuh flott überarbeitete Libretto. Dass für Don Giovanni die Frauen  letztendlich „die Kronen der Menschheit“ sind, nimmt man diesem Don Giovanni nicht mehr ab. Dass er keine Reue zeigt, passt bestens ins Bild. 

Ultz weiß Don Giovannis Gigolo-Mythos  vor dem Hintergrund der #Me-Too-Bewegung  in den drei Verführungsgeschichten amüsant, sehr klug und lichtatmosphärisch zu konterkarieren und mit Elementen der Opera Buffa zu parodieren. 

Mit übergezogener Strumpfhosenmaske will dieser Giovanni Donna Anna erobern. Das überraschende Erscheinen des Vaters verhindert eine Vergewaltigung. Bei Ultz droht er nicht nur mit der moralischen Keule, sondern auch mit einer aus Holz, bleibt aber gegen die Pistole Don Giovannis ohne  Chance.

Bei Donna Elvira ist die Liebe schon vorbei. Hochschwanger bringt Sabine Noack das Elend einer verlassenen Liebenden  im Frauenhaus  auf die Bühne, solidarisch von anderen Frauen umgeben als Ausdruck der weiblichen Misere. Dass Donna Elvira diesem Kleinganoven noch hinterdrein weint, ist schon Satire. 

Umso bezaubernder wirkt Zerlina. Langbeinig im Tutu mit Schleier ist Emily Fultz eine allerliebste Bambi-Braut, die mit jeder Bewegung ihre naive Unschuld signalisiert, zunächst angesichts ihres bäuerlichen Bräutigams (Daniel Pannermayr)  sehr empfänglich für Don Giovannis Galanterien ist, doch schnell die Situation durchschaut und sich zur Wehr setzt. 

Zerlina als Frau, die sich durchsetzt, ist Ultz klares Veto für die Frauen. 

Die spritzige  Inszenierung unterstreicht Basil H. E. Coleman durch sinnvolle Kürzungen der Secco-Rezitative der Urfassung (1787) und Weglassen des Schlussteils, so dass „Don Giovanni“ mit dessen Tod endet. Mit schlanker Besetzung und Basil H. E. Coleman am Cembalo agiert das Orchester sehr temperamentvoll zackig mit viel Forte und Fortissimo, raschen Tempi, ohne Vibrato im Stil  historischer Aufführungspraxis, was aber auf modernen Instrumenten etwas lärmend und sehr konträr zu den üblichen Gehörgewohnheiten wirkt.

Aggression und Rache kommen dabei bestens zum Ausdruck, zumal die Sänger allesamt durch Stimmvolumen, Timbre überzeugen. Kyung Chun Kim darf seine Arien milieugerecht lauthals narzisstisch intonieren. Peter Tilch als Diener übernimmt den burlesken  Teil, singt und spielt sich in die Sympathie der Zuschauer. Dem Komtur, in der besuchten Vorstellung von Daeyoung Kim, gesungen, fehlt die furchteinflößende Dominanz der Tiefe. 

Faszinierender sind die Frauenpartien. In Kathryn J. Browns durchdringenden Koloraturen  spiegeln sich Donna Annas resolute Wehrhaftigkeit und unerbittliche Rache. Sabine Noack berührt als Donna Elvira in ihrem Liebesleid. Tänzerisch, federleichte Momente entstehen, wenn Emily Fultz singt und spielt. Das ist Anmut pur, in der Mozart spürbar wird, wie man ihn liebt.