©Peter Litvai
Dieser Giovanni degradiert vom Frauenflüsterer zum narzistischen Sexomanen, der ohne den Kick der Erotik nicht leben kann, verdeutlicht das durch von der Dramaturgin Swantje Schmidt-Bundschuh flott überarbeitete Libretto. Dass für Don Giovanni die Frauen letztendlich „die Kronen der Menschheit“ sind, nimmt man diesem Don Giovanni nicht mehr ab. Dass er keine Reue zeigt, passt bestens ins Bild.
Ultz weiß Don Giovannis Gigolo-Mythos vor dem Hintergrund der #Me-Too-Bewegung in den drei Verführungsgeschichten amüsant, sehr klug und lichtatmosphärisch zu konterkarieren und mit Elementen der Opera Buffa zu parodieren.
Mit übergezogener Strumpfhosenmaske will dieser Giovanni Donna Anna erobern. Das überraschende Erscheinen des Vaters verhindert eine Vergewaltigung. Bei Ultz droht er nicht nur mit der moralischen Keule, sondern auch mit einer aus Holz, bleibt aber gegen die Pistole Don Giovannis ohne Chance.
Bei Donna Elvira ist die Liebe schon vorbei. Hochschwanger bringt Sabine Noack das Elend einer verlassenen Liebenden im Frauenhaus auf die Bühne, solidarisch von anderen Frauen umgeben als Ausdruck der weiblichen Misere. Dass Donna Elvira diesem Kleinganoven noch hinterdrein weint, ist schon Satire.
Umso bezaubernder wirkt Zerlina. Langbeinig im Tutu mit Schleier ist Emily Fultz eine allerliebste Bambi-Braut, die mit jeder Bewegung ihre naive Unschuld signalisiert, zunächst angesichts ihres bäuerlichen Bräutigams (Daniel Pannermayr) sehr empfänglich für Don Giovannis Galanterien ist, doch schnell die Situation durchschaut und sich zur Wehr setzt.
Zerlina als Frau, die sich durchsetzt, ist Ultz klares Veto für die Frauen.
Die spritzige Inszenierung unterstreicht Basil H. E. Coleman durch sinnvolle Kürzungen der Secco-Rezitative der Urfassung (1787) und Weglassen des Schlussteils, so dass „Don Giovanni“ mit dessen Tod endet. Mit schlanker Besetzung und Basil H. E. Coleman am Cembalo agiert das Orchester sehr temperamentvoll zackig mit viel Forte und Fortissimo, raschen Tempi, ohne Vibrato im Stil historischer Aufführungspraxis, was aber auf modernen Instrumenten etwas lärmend und sehr konträr zu den üblichen Gehörgewohnheiten wirkt.
Aggression und Rache kommen dabei bestens zum Ausdruck, zumal die Sänger allesamt durch Stimmvolumen, Timbre überzeugen. Kyung Chun Kim darf seine Arien milieugerecht lauthals narzisstisch intonieren. Peter Tilch als Diener übernimmt den burlesken Teil, singt und spielt sich in die Sympathie der Zuschauer. Dem Komtur, in der besuchten Vorstellung von Daeyoung Kim, gesungen, fehlt die furchteinflößende Dominanz der Tiefe.
Faszinierender sind die Frauenpartien. In Kathryn J. Browns durchdringenden Koloraturen spiegeln sich Donna Annas resolute Wehrhaftigkeit und unerbittliche Rache. Sabine Noack berührt als Donna Elvira in ihrem Liebesleid. Tänzerisch, federleichte Momente entstehen, wenn Emily Fultz singt und spielt. Das ist Anmut pur, in der Mozart spürbar wird, wie man ihn liebt.