München – gemischte Resonanz für  Abrahamsens erste  Oper „The Snow Queen“, uraufgeführt in der Münchner Staatsoper

Opernkritik "The Snow Queen" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Wilfried Hösl

Die  wuchtigen Mauern des Krankenhauses weichen und die Zuschauer tauchen ein in Gerdas Träume und Abrahamsens Musikwelt. Die Großmutter liest im roten Ohrensessel Kay und Gerda die „Schneekönigin“ vor. Doch schnell verselbständigt sich die Geschichte, wird zu Gerdas innerer Erfahrungswelt. Noch einmal durchlebt sie simultan mit Kay die Phasen der Kindheit, Pubertät und des Erwachsenwerdens. Großartige Szenen entwickelt das Regieteam, wenn die Flügelhauben der Krankenschwestern wie Eiskristalle herumwirbeln, rote Rosen unter dem Eis als Symbol der Emotionalisierung erblühen oder Gerda  auf dem Rentier  umtost vom Schneesturm Kay in die Region des Eises folgt und das Winterszenario schließlich in fröhlicher Sommerrunde endet. 

Doch nur wer das Märchen kennt, kann die Chiffren deuten, und nicht jeder, der das Märchen kennt, konnte sich mit der surrealen Inszenierung und der Simultanität altersdifferenziert multiplizierter Figurenkonstellationen  anfreunden, woraus sich das heftige Ausbuhen des Regieteams erklärt, zumal Kostümbildnerin Andrea Schraad mit ihren grotesken Krähen die subtile Gesamtästhetik  plump durchkreuzt.

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©Wilfried Hösl

Derartige Effekte hat diese Oper gar nicht nötig. Wenn es nur schneit, sich strahlendes Blau in graue Schneestürme verwandelt (Bühne Harald B. Thor, Licht Michael Bauer), entstehen die dichtesten Momente, denn Abrahamsens Oper ist sehr geprägt von seiner Komposition „Schnee“. Das Flirren des Schnees wird zum faszinierenden Klanggewebe, beginnt mit ganz subtilen,  langgezogenen Tönen im Neunachteltakt, die sich wie Schnee- und Eisschichten übereinander lagern, ständig ihre rhythmische Struktur verändern. Fragile Töne und Klangfarben leuchten wie Eiskristalle kurz auf, flirren im Wechsel  von Sechszehntel- und Zweiunddreißigstelnoten, türmen  sich zu dramatischem Schneegestöber, das die Bläser sonor aufmischen, Pauken akzentuieren. Harfe und Glockenspiel, in den Logen verortet, funkeln  wie Glasperlenspiele.  

Das bringt das Bayerische Staatsorchester unter der Leitung von  Cornelius Meister sehr dynamisch und artikuliert zu Ohren und ist das eigentliche Highlight des Abends, wenn auch der große Applaus den Sängern gilt. Barbara Hannigan hatte Abrahamsen im Umfeld der umjubelten Uraufführung des Liederzyklus „Let Me Tell You“ in Berlin 2013 die Welt des Singens eröffnet, er ganz speziell für sie diese, seine erste Oper komponiert. In der Hauptrolle als Gerda emotionalisiert Hannigan das Eismärchen mit furioser Stimmkraft, mädchenhafter Spontaneität und expressivem Spiel. Unter ihrer jugendlichen Ausstrahlung lodert die Energie von „12-Männer-Kraft“, um Kay zu befreien. Doch in ihren mehr narrativen Passagen fehlt der Partitur die Spannkraft, verliert sich die Stimmführung in der Tonalität des Orchesters, ein Phänomen, das auch in den anderen Stimmlagen auftaucht, wodurch die Oper an Aura verliert, auch wenn alle Stimmen bestens besetzt sind. 

Rachel Wilson und Thomas Gräßle überzeugen als Kay und Double. Peter Roses Bass gibt der Schneekönigin die Tiefe der Weisheit und dem Rentier den Wohlklang der Hilfe. Kevin Conners, noch mehr Owen Willetts lassen als Krähen aufhorchen. Caroline Wettergreen und Dean Power bringen trotz ihrer skurrilen Optik mit durchdringenden Stimmen Prinz und Prinzessin resolut zur Wirkung. Katarina Dalayman setzt in ihren Minirollen als Großmutter, Old Lady und Finn Woman mitmenschliche Akzente. „Die Macht liegt im Herzen“ ist ihre Botschaft und die des Märchens. Diese Macht bleibt erhalten, wenn Erwachsene, die Unschuld eines kindlichen Herzens bewahren. 

Michaela Schabel