©Mathieu Doyon
Die frankokanadische Choreografin Catherine Gaudet interessieren die subtilen Verschiebungen des Körpers, in denen sich die Facetten psychischer Zustände im sozialen Kontext angleichen, zermürben und sich schließlich ändern. Körper und Hirn sind für Catherine Gaudet eine Einheit. Der Körper ist der Resonanzraum für die Seele. Entsprechend sorgfältig sucht sie ihre Performer aus. Dany Desjardins, Caroline Gravel, Leila Mailly, James Phillips und Simon Renaud bringen genau diese Kombination von kraftvoller Körperlichkeit und geistiger Ausdruckskraft, die diese Performance braucht, um sie intuitiv über die Bewegungen im Rhythmus der Musik zu verstehen.
„The Fading of the Marvelous“, „Das Verblassen des Wunderbaren“ wird immer neuen Facetten nicht nur sichtbar, sondern über die Musik, gellende Schreie hörbar, über schweißschimmernde Körper fühlbar.
Die Performer offerieren durch Mikrobewegungen ihre ständig wechselnde Emotionalität, ziehen durch expressive breakdanceartige Roboterhaftigkeit, schauspielerische Blickintensität in ihren Bann, wodurch sich die abstrakte Performance leicht als Metapher der unterschiedlichen Lebensfacetten erschließen lässt.
Erst als die Performer aus ihrem gleichgeschalteten Ritual hüpfend ausbrechen, sich mit Kampfschreien befreien, finden sie zur archaischen Kreisform zurück, die jedem einzelnen mehr Raum gibt, seine Leidenschaften auszuleben, aus der Individualität herauszutreten und wieder Zweierbeziehungen einzugehen. Man wagt wieder die gegenseitige Berührung, einen bewusst ungelenken Walzer zum Viervierteltakt für die erste Bewegungsversuche in der neuen Freiheit, dann große Schritte mit wiegenden Hüften, kreisenden Oberkörpern, schwingenden Schultern wie auf einem Catwalk. Doch über die Wucht des Sounds euphorisieren sich die Performer vom egofokussierten „Me“ der Musik zu deren egozentrischen „My“-Power, das aufkeimendes Miteinander am Egotrip zerschellen lässt. Orgiastisches Stöhnen dehnt sich in trancehaft ekstatischer Körperlichkeit in nächtlichen Lichtstimmungen. Doch statt himmelhochjauchzend sinken die Körper wie unter Elektroschocks in breakdancemäßigen Zuckungen entenergenisiert in Agonie zu Boden. Schnappatmend und mit schrillen Vogelschreien, untermalt vom balsamischen Bass der Musik, gefrieren die Körper im Tageslicht zu den Posen, die ihrer Seele entsprechen, zu den Empfindungen zwischen ästhetischer Selbstdarstellung, Himmelstürmer und existenziellem Schrei.
So gelingt eine starke, in sich sehr schlüssige Choreografie als Metapher unseres Lebens mit der Botschaft, dass gesellschaftliche Routinen durchaus durchbrochen werden können, ohne die Sinnhaftigkeit der neuen Rollen zu hinterfragen.