"Kultur macht glücklich"


München – Ingmar Bergmanns „Persona“ interessant inszeniert am Volkstheater 

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München – Ingmar Bergmanns „Persona“ interessant inszeniert am Volkstheater 

©Volkstheater München, Foto: Gabriela Neeb

Ein bühnengroßer, schwarzer Halbkreis auf dem Theatervorhang verdrängt den blau-weißen Himmel. Ein kleines Mädchen in rotem Kleidern zieht den Vorhang zurück und…

erinnert sich. Damit schafft Regisseurin Sophie Glaser einen effektvollen Einstieg in ihre Bühnenadaption von Ingmar Bergmanns legendären Film „Persona“ (1966), ein Psychodrama über Rollen und Masken, Spiegelungen, Identität und Schweigen. Auch David Lynch wurde von Ingmar Bergmann inspiriert. Bei ihm verschieben sich die Charaktere, Realität und Traum verschmelzen. Die Filmsequenzen sind offener, fragmentierter, rätselhafter mit Thrillerelementen und Fokus auf starken Frauentypen. Vor diesem Hintergrund verrätselt Glaser in ihrer Version die Abhängigkeit von Rollenbildern und die dabei entstehende Suche nach Identität zusätzlich durch zwei Doubles. Der Plot bleibt.

Die Schauspielerin Elisabeth Vogler hört plötzlich auf zu sprechen. Medizinisch betrachtet ist sie nicht krank. Um sich zu erholen, wird sie mit Alma, einer Krankenschwester, in ein Sommerhaus ans Meer geschickt. Alma erzählt von ihrem Leben. Elisabeth schweigt und doch werden in kurzen Momenten Seelenverwandtschaften und Annäherungen erlebbar. Rollenbilder überlagern sich, hinterfragen, schaffen neue Identitäten. Was Bergmann durch eine völlig neue cinematische Assoziationstechnik gelang, „Persona“ gilt als eines seiner Meisterwerke, vermittelt Glaser auf der Bühne durch eine raffinierte Kombination aus überdimensionalen Live-Videos, beweglichen Zimmerelementen und effektvollen Lichtstimmungen. Ihr Setting oszilliert zwischen nüchterner Küchenidylle und atmosphärischen Motivüberblendungen, kontrastiert durch eine plakativ sterile Optik, rote Lichtstimmungen und zwei Doubles. Wie robotermäßig animierte Schaufensterpuppen bewegen sich Elisabeth (Ruth Bohsung) und Alma (Lena Brückner) zu meditativen Klangschalentönen, jeglicher Individualität beraubt. Peu à peu werden sie natürlicher, gleichzeitig von ihren durch Masken noch sterileren Doubles (Nina Noé Stehlin, Nils Karsten) verfolgt und beobachtet. Einen Brief mit dem Foto eines Kindes zerreißt Elisabeth. Sie verdrängt die Vergangenheit. Mit ihrem Schweigen verweigert sie ihren bisherigen Rollen eine Stimme zu geben, mimisch von Ruth Bohsung sehr überzeugend dargestellt. Über Almas Erzählungen und den darin vermittelten Rollen mokiert sich Elisabeth in einem Brief an die Ärztin, was die beginnende Annäherung der beiden Frauen wieder zunichte macht und in eskalierenden Attacken endet. 

Ein perfekt getimtes Ensemble entfaltet Stimmungsumschwünge, retardiert das Spiel ins surreal Traumatische und macht durch Überblendungen die gegenseitigen Projektionen und Affinitäten, Irritationen und Unsicherheiten in ästhetisch herausragenden Bildsequenzen erlebbar.

Alma ließ zwar ihr Kind abtreiben, fand aber über den Beruf der Krankenschwester ihre Erfüllung. Elisabeth gebar gegen ihren Willen ein Kind, das sie vollkommen ablehnte und weggab, woraus sich ihre existentiellen Zweifel, Ängste, Lebenslügen ergeben. Elisabeth fehlt die „Mütterlichkeit“. Im Gegensatz zu Bergmanns metaphorischen Umschreibungen gewinnt Glasers „Persona“ damit final eine ganz unerwartete klare Antwort.

Künstlerisches Team: Sophie Glaser (Regie), Nadin Schumacher (Bühne), Maja Beyer (Kostüme), Matthias Schubert (Musik), Anja Sekulic (Musikdesign), Hannah Mey (Dramaturgie)