"Kultur macht glücklich"


Berlin – „Close enough“ – Perspektiven von 12 Magnum- Fotografinnen im C/O

Veröffentlicht am:

von

Berlin – „Close enough“ – Perspektiven von 12 Magnum- Fotografinnen im C/O

©Michaela Schabel

„Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, dann warst du nicht nahe genug daran.“ Dieser berühmte Satz von Kriegsfotograf und Magnum-Mitbegründer Robert Capa, ist…

die Basis der Ausstellung „Close enough“ („nah genug“), nicht nur physisch, sondern auch psychisch durch Vertrauen, Verletzlichkeit, Komplizenschaft oder gemeinsame Erfahrungen. 

Zwölf aufstrebende und etablierte Fotografinnen wurden für das 75. Jubiläum von Magnum 2022 ausgewählt und jetzt für den 25-jährigen Geburtstag von C/O Berlin adaptiert. 

Die Fotografien berühren, insbesondere die Projektreihen aus dem arabischen Kulturkreis. Von 2011 bis 2016 reiste Bieke Depoorter regelmäßig während entscheidender Phasen des Volksaufstands nach Ägypten und fotografierte Menschen und Familien, bei denen sie zu Gast sein durfte, in ihren Häusern, wobei es für sie als Fremde immer schwieriger wurde, Vertrauen aufzubauen. Als sie die Bilderserie für ein Buch fertig hatte, wurde ihr bewusst, dass es nur eine weitere Arbeit aus der Perspektive einer Fremden darstellte. Sie fuhr noch einmal nach Ägypten und ließ Menschen, mit denen sie bislang nicht gesprochen hatte, ihre Meinung direkt auf die Bilder auf Arabisch schreiben, die sie jetzt mit Übersetzungen präsentiert. 

Sabina Çimen begleitete von 2017-2020 im Rahmen ihres Projekts „Hâfiz“ 8- bis 18-jährige Mädchen einer Koranschule. Hâfiz ist ein Mensch, der den Koran auswendig kennt. Çimen selbst ist als Absolventin dieser Schule selbst eine Hâfiza. Sie suchte bewusst und sehr empathisch danach, wie sich Traditionen erhalten lassen, sich trotzdem Neues entwickelt, ohne die Sicherheit der Mädchen zu gefährden. Besonders beeindruckt war sie, wie wenig sich die Mädchen von den sozialen Medien und deren vermittelten Schönheitsstandards beeinflussen ließen. Mit „Hâfiz“ ist Çimen ein Gegenbild zur klischeehaften Darstellung arabischen Frauen in den Medien gelungen.

Für Myriam Boulos, die 1992 kurz nach dem Ende des 15-jährigen Bürgerkriegs im Libanon geboren wurde und 2019 die Revolution erlebte, wurde das Fotografieren zur Rückeroberung der Heimat mit dem Ziel menschliche Nähe aufzubauen, die im zerbombten Umfeld so oft fehlte . Sie wollte die Erzählhoheit und die Dokumentation der Lebenswirklichkeit nicht ausländischen Journalisten überlassen. 

Bezüglich des Ausstellungstitels resümmiert Carolyn Drake. „Ich brauche nicht noch einen Mann aus der Vergangenheit, der mir sagt, wie ich etwas zu tun habe. In „Men“ fokussiert ironisch sie in großformatigen Porträts bewusst ohne Hintergrund, Requisiten und oft ohne Kleidung auf die Rollen der Männer in der Gesellschaft und ihre Attitüden, beispielsweise in antiken Posen, aber statt in Marmor mit Schlamm bedeckt. 

Olivia Arthur gibt in ihren Porträts den Menschen Raum sich selbst auszudrücken. Aus der Froschperspektive fotografiert tritt der neue Zahn über dem Milchzahn in den Bildmittelpunkt und verdeutlicht den Schmerz des Kindes.

Sehr übersichtlich, mit interessanten Infotafeln kuratiert, entdeckt der Besucher eine Vielfalt von Narrativen, die neue Perspektiven eröffnen und den Horizont weiten, indem sie den Betrachter einladen, sich in die Rolle der Fotografierten versetzen.

Bis zum 28. Januar sind Fotografien zu sehen: von Olivia Arthur, Myriam Boulos, Sabiha Çimen, Bieke Depoorter, Carolyn Drake, Nanna Heitmann, Susan Meiselas, Cristina de Middel, Hannah Price, Lúa Ribeira, Alessandra Sanguinetti und Newsha Tavakolian.