Zdravka Evtimovas Kurzgeschichten „Maulwurfsblut“ gehen unter die Haut

Buchkritik Zdravka Evtimova „Maulwurfsblut“ präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Keiner kennt bislang Zdravka Evtimova, doch wer ihren ersten Kurzgeschichtenband „Maulwurfsblut“ liest, wird diese Texte, die aus drei verschiedenen Ausgaben von 2005, 2013 und 2017 stammen nicht so schnell vergessen. Es sind Porträts von menschlichen Beziehungen, die unter die Haut gehen, Geschichten von kargen, leidgeprüften Menschen, die nicht miteinander, aber oft auch nicht ohne miteinander leben können. Zuweilen gelingt die Befreiung in eine ungewisse Zukunft. Weggehen, Zurückkommen, tiefe Zuneigung und noch tiefere Frustration sind die roten Linien ihres Schreibens, größtenteils verortet im armseligen bulgarischen Pernik am Fluss Struma…

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Schon die erste Geschichte „Maulwurfsblut“ erzeugt Gänsehaut. Maulwurfsblut gegen Schmerzen hat der alte Mann nicht im Angebot, aber die eigene Vene, von der er Blut abzapft als Akt der Mildtätigkeit, der sich schnell herumspricht, dass er den Andrang kaum bewältigen kann. Die meisten Geschichten handeln allerdings von Mann und Frau. Die Liebenden können nicht voneinander lassen und zusammen sind sie doch unglücklich. Pernik, ein grauer Industrieort, bietet keine Zukunft. Arm sind sie alle. Doch sie lieben ihre Heimat, die die staubige Stadt und die im Sommer  ausgetrockneter Struma. Die Unterkünfte sind armselig und werden so drastisch geschildert, dass Kopfkino entsteht. Evtimovas Sympathie gilt den Frauen. Sie sind taff, kämpfen ums Überleben, lassen sich nicht unterkriegen, allen voran Frau „Svetlovos“, deren Mann sich in den Niederlanden eine neue Existenz aufbaut und die Frau mit den drei erwachsenen Kindern selbst in Abwesenheit schikaniert. Als er seine Rückkehr realisiert, weiß sie, was zu tun ist. Vor seiner Ankunft ist sie weg. 

Der schmale Kurzgeschichtenband endet mit einer metaphorisch aufgeladenen unglücklichen Liebesgeschichte. Maria, eine einfache Kellnerin, für Anatoli das schönste Mädchen der Welt, verschwindet plötzlich und hinterlässt nur Worte. Sie zählen mehr als das reale Geschehen. 

Zdravka Evtimova wurde 1959 in Pernik geboren, wo sie bis heute lebt. Sie studierte Englische Philologie in Veliko Tarnovo und St. Louis/Missouri. Mit dem Zug fährt sie täglich zur Arbeit nach Sofia, wo sie im Ministerium als Fachübersetzerin arbeitet. Evtimova übersetzt außerdem Romane und Science Fiction aus dem Amerikanischen und schreibt Prosa. Ihre Bücher werden in den USA, Kanada, Großbritannien, Italien, Nordmazedonien, Serbien, Griechenland, Israel und China übersetzt. „Maulwurfsblut“ ist Evitimovas Debüt in deutscher Sprache. 

Zdravka Evtimova „Maulwurfsblut“, eta-verlag.de, Berlin 2024, 191 S.