"Kultur macht glücklich"


69. Internationale Filmfestspiele Berlin – „Systemsprenger“ – Sektion Wettbewer

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69. Internationale Filmfestspiele Berlin – „Systemsprenger“ – Sektion Wettbewer

Monatelang recherchierte Nora Fingscheidt für ihren Erstlingsfilm in Kinderheimen. Sie wählte ganz bewusst ein Mädchen vor der Pubertät, ein Mädchen, das nicht in der Großstadt aufwächst, um sich anbietende  Argumentationsklischees erst gar nicht aufkommen zu lassen. Ihr Film soll das Verständnis für Kinder fördern, deren Verhaltensweisen den Atmen still stehen lassem.

Trotz der gepflegten Betreuungswelten mit bunten Wänden, modernen Möbeln, freundlichen Kindern  und dem fürsorglichen Betreuungsteam  ist diese Benni durch nichts zu beruhigen. Immer wieder rastet sie aus, wird sie gewalttätig. Sie  möchte bei ihrer Mutter leben, aber die kommt mit ihrem Leben selbst nicht zurecht, hat Angst vor ihrer Tochter und deren Wirkung auf die zwei kleineren Geschwister.

Zwischendurch  kann Benni sehr lieb sein. Als Geschenk für ihre Mutter klaut sie eine Glitzertasche, fürsorglich kümmert sie um die Geschwister bei einem Besuch, später um das Baby des Schulwegbegleiters. Doch schon eine Kleinigkeit bringt Benni ganz überraschende wieder außer Rand und Band.

Berlinale Filmkritik "Systemsprenger" präsentiert von schabel-kultur-blog.de

©kineo Film/Weydemann Bros/Yunus Roy Imer

Mit jeder Wiederholungsschleife wird das Leid dieser Kinderseele deutlicher. Kaum fasst sie etwas Zutrauen, wird sie wieder enttäuscht, am meisten von ihrer Mutter, wenn sie immer wieder verspricht, sie heimzuholen und es doch nicht macht, aber von den Betreuern, die Distanz wahren müssen, wenn  Ko-Abhängigkeit  spürbar wird.

Helena Ziegel spielt diese Benni mit umwerfender Authentizität. In ihren blauen Augen spiegeln sich Freude und die unendliche Traurigkeit dieses Kindes. Mit unglaublicher Kraft und zerstörerischer Energie malträtiert sie ihr Umfeld.

Auch wenn die Bilder durch Farbästhetik und Musik geschönt sind, ist  der Film erschütternd. Zu sehr wird deutlich, dass unserer Sozialstrukturen überhaupt nichts helfen, wenn die Liebe und Geborgenheit eines Elternhauses fehlen. Bennis kurzfristige Ersatzmutti bringt es auf den Punkt. „Die eigene Mutti ist immer die Beste.“ Und der Film zeigt, dass es eine Mutter mit Rückgrat sein muss, die sich beherzt um ihre Kinder kümmert. Sieht man die emotionale Unsicherheit der Mutter, wird die Problematik Bennis nur noch deutlicher. Für Benni gibt es kein Happyend.

Michaela Schabel