"Kultur macht glücklich"


Potsdam – „Munch. Lebenslandschaft“, eine exzellente Ausstellung im Museum Barberini Potsdam

Veröffentlicht am:

von

Potsdam – „Munch. Lebenslandschaft“, eine exzellente Ausstellung im Museum Barberini Potsdam

„Urgeschrei“, Edvard Munch, 1895, Lithographie©Privatsammlung, Foto: Michaela Schabel

Landschaft und psychische Zustände fusionieren zu einem facettenreichen Kosmos, in dem sich Munchs philosophisch ganzheitliches Weltbild spiegelt. 116 Bildern spiegeln Munchs lebenslange Suche nach einem ganzheitlichem Weltbild. Schon der Titel „Munch. Lebenslandschaft“, bewusst im Singular formuliert, zielt auf diese einzigartige Fusion von Mensch und Natur. In acht Kapiteln präsentierten Ortrud Westheider, Direktorin des Museums Baberini, und Gastkuratorin Jill Loyd überaus gekonnt Munchs expressives, innovatives Spätwerk, seine Gemälde, Holzschnitte, Lithographien und Zeichnungen als beeindruckendes Narrativ zwischen dem „Schrei“ und der „Angst“ der Menschen und dem kosmischen Licht der „Sonne“. 

Die Reise zu Munch beginnt im „Wald“ als Ort der Mythen und Märchen, inspiriert von Wäldern seines Hauses in Ekely bei Oslo und vom Thüringer Wald. Bäume verwandeln sich in Geister und Monster, staunend beobachtet von Kindern, ohne dass man ihre Gesichter sieht, allein an der Kopfhaltung und den zurückgerutschten Sonnenhüten. Eine Frau mit Kind nur schemenhaft skizziert scheint im Wald Schutz zu suchen, angezogen von den bizarren Baumstämmen und dem beruhigenden Weiß der Wolken. Ein Liebespaar im nächtlichen Wald findet Seelenverwandtschaft durch Naturverbundenheit. In „Garten und Feld. Kultivierung der Natur“ wird Munchs Begeisterung für die Natur deutlich. Seine Grundstücke am Oslofjord verwandelte er in Obst-, Küchen- und Blumengärten. Er hielt Tauben und Hühner und Pferde. In seinen Bildern biegen sich die Apfelbäume unter der reichen Ernte. Er malte die traditionellen bäuerlichen Arbeitsprozesse als Gegenbild zur rapiden Industrialisierung und Verstädterung und wurde in seinen geraden Flurlinien, reduzierten Farbflächen und dynamischen Pinselstrich zum Vorreiter moderner Malerei.

„Zwischen Land und Meer“ fand er „Räume der Melancholie“. Die geschwungenen Küstenlinien wurden Ausdruck sich ständig ändernder Lebenssituationen. In den Wellen entdeckt Munch weibliche Körper, im atmosphärischen Ambiente am Meer spiegeln sich die Gefühle der Menschen zwischen Hinwendung und „Loslösung“.

Den fröhlichen Part mit Badeszenen präsentieren die Kuratorinnen als eigenes Kapitel „Sommerfrische. Rückzug ans Meer“. Es sind sonnendurchglühte Bilder nackter Badender, in denen sich Munch als Anhänger der Lebenreformbewegung offeriert.

Ausstellung "Munch. Lebenslandschaft" im Barbarini Museum Potsdam präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Badende Männer “, Edvard Munch, 1907, Öl auf Leinwand©Munchmuseet, Oslo, Foto: Michaela Schabel

Er selbst suchte 1906 und 1907 im Ostseebad Warnemünde Heilung durch Sonnenbäder und Bewegung an frischer Luft, bevor er wegen Alkoholismus und eines Nervenzusammenbruchs ins Krankenhaus eingeliefert wurde. 1910 kehrte er nach Norwegen zurück, kaufte in Hvitsten ein Sommerhaus, malte erneute Badeszenen und richtete sich ein Freilandatelier, wo er bei jedem Wetter malte. 

Die Sonne rückt in Munchs Bildern immer mehr als lebensspendende Energie in den Mittelpunkt, bedingt durch Munchs ganzheitliche Denkweise. Aufgewachsen in einer streng christlichen Familie „Gott ist in uns und wir sind Gott… Der Tod ist der Beginn des Lebens“ weitete Edvard Munch seine religiösen Anschauungen um die naturwissenschaftlichen Theorien von Charles Darwins Evolutionslehre und die Philosophie des Monismus nach Ernst Haeckel, wonach alles organisch und anorganisch Existierende eine Einheit bildet, der Mensch nicht der Dominator der Natur, sondern ein Teil von ihr ist. Sinnbild dafür ist „Die Sonne“.

Ausstellung "Munch. Lebenslandschaft" im Barbarini Museum Potsdam präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Die Sonne“, Edvard Munch, 1910-13, Öl auf Leinwand©Munchmuseet Oslo, Foto: Michaela Schabel

Im Großformat überstrahlt sie die flankierenden Lithografien, die „Angst“ und den „Schrei“ der Menschen, der an sich das „Geschrei“ der malträtierten Natur ausdrückt. So wird der Raum „Schrei der Natur. Mensch und Umwelt“ zum Kernstück von Munchs ganzheitlicher Lebensphilosophie, in der der Mensch als Teil der Natur ist und diese Erkenntnis eine beflügelnde Vision ermöglicht.

Die enorme Polarität zwischen wilder Emotionalität und gelassener Ruhe spiegelt sich in Munchs Bildern „Schnee und Sturm. Aufruhr der Natur“. So dunkel die Nächte im Winter auch sind, der Schnee schafft eine beruhigende Stille und helle Atmosphäre. Im „Neuschnee“  und  in der „Sternennacht“ taucht er Landschaften in Zauberwelten. Erleuchtete Fenster signalisieren Geborgenheit, apere Flächen die Vorfreude auf den Frühling oder im damaligen Klimawandelkontext bereits den Einfluss der Menschen auf die Natur. 

Als besondere Überraschung erwartet den Besucher der Nachbau von Munchs berühmter „Aula“, ein Auftrag für die Aula der Universität Oslo, Von 1909 bis 1916 schuf Munch 140 Gemälde und zahlreiche Arbeiten auf Papier, aus denen sich elf monumentale Werke herauskristaliisierten, Auf seinem Anwesen in Hvitsten arbeitete Munch im Freien  auf Leitern bei Wind und Wetter an den Bildern, die er bewusst den Elementen aussetzte. Dabei entwickelte er seine ganzheitliche Lebensidee, dass Mensch und Natur  in einem dynamischen, ganzheitlich gedachten Universum zusammenwirken. Mit  diesen Bildern scheiterte Munch in Oslo, zunächst auch in Berlin. Das änderte sich, als er bei der Herbstausstellung der Berliner Secession 2013 seine „Mini-Aula“ in kleineren Formaten präsentiert seinee, womit seine Karriere begann. Diese Mini-Aula eindrucksvoll von historischen Dokumenten begleitet ist der Höhepunkt der Ausstellung.

„Munch. Lebenslandschaft“ im Museum Barberini Potsdam ist eine Reise wert, zumal gleichzeitig durch eine 8-wöchige Überschneidung mit „Edvard Munch. Zauber der Nordens“ in der Berlinischen Galerie beide Ausstellungen  über das Kombiticket von 20 Euro  bis 22. Januar zu sehen sind. Die Ausstellung im Barberini Potsdam dauert darüber hinaus bis 1. April. 

 

"