©Herder Verlag 2023
Heilung bedarf der Wiederherstellung des physischen und psychischen Gleichgewichts. Dabei ist der Glaube wichtig, weil er das Denken beeinflusst, das wiederum die Produktion positiver oder negativer Botenstoffe lenkt. Über den Glauben kann Negatives ins Positive umgesetzt werden.
Dabei beruft sich Heinz-Peter Röhr auf Studien über Placebos und homöopathische Mittel, die seine Thesen und praktischen Übungen unterstützen. Der Glaube versetzt Berge, macht viele Patienten gesund, selbst wenn diese zugeführten Tabletten keine überprüfbaren heilenden Stoffe enthalten. Wer seine Krankheit annimmt, analysiert, was sie ihm sagt, wer an Heilung glaubt, kurbelt im Körper die Produktion von Dopamin und Endorphinen an, die die Gesundung unterstützen. Ängste setzen dagegen kontraproduktiv das Stresshormon Cortisol frei und reduzieren die heilende Wirkung medizinischer Maßnahmen.
Auch im Schamanismus oder in den Grimmschen Märchen wie „Hans mein Igel“ und „Der Fischer und seine Frau“ als Beispiele misslungener Sozialisation findet Heinz-Peter Röhr Argumente für die große Bedeutung des Glaubens und der Liebe im Hinblick auf Heilung. In den ersten sechs Lebensjahren eines Kindes entstehen die Weichen des Lebens. Ungeliebte Kinder entwickeln Traumata, Hans-Peter Röhr nennt sie geheime Programme, auf die Kinder auch noch im Erwachsenenalter mit Gegenprogrammen reagieren, die oft zu Krankheiten führen. Dann können neue Programme den Heilungsprozess unterstützen. Beispielsweise entwickeln Kinder, die nicht willkommen waren, eigene Strategien um Anerkennung zu bekommen. Wenn diese nicht funktionieren, verstärken sich Frustrationen und Depressionen bis hin zur Sucht oder zu anderen Krankheiten. Neue Selbstprogrammierungen weg vom Nicht-willkommen-sein zum „Ich bin willkommen“ können dann die Heilung verbessern. Um diesen Sprung zu schaffen, muss man die Zusammenhänge der Krankheit erforschen, auf dramatische Formulierungen verzichten und stattdessen das eigene Bewusstsein weiten. Optimismus kann man trainieren, indem man die Perspektive vom halb leeren Glas auf das halb volle lenkt, weg von den Löchern im Käse hin zur Substanz.
„Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“ bestätigt Heinz-Peter Röhr durch seine Erfahrung mit Suchtkranken. Aber der Glaube an die Wirksamkeit göttlicher Energie, die nichts anderes als schöpfungsumfassende Liebe ist, kann dabei helfen, weil Menschen im Schutz dieser Liebe und dem damit verbundenen Lebensstil auf das Wesentliche wieder lernen intuitiv das Richtige für sich selbst zu tun. Diese Gottesliebe hat nach Heinz-Peter Röhr nichts mit den weltlichen Institutionen der Religionen zu tun, deren Priesterschaften und Vertreter den Weg zu Gott verstellen, indem sie durch Verbote Ängste schüren, durch Fegefeuer und Hölle Schuldgefühle und Traumata aufbauen, Selbstwertgefühl vernichten statt es zu vergrößern.
„Wie Heilung gelingt“ ist sicher ein hilfreich aufbauendes Buch für Menschen mit optimistischer Grundeinstellung. Menschen, die von Grund auf anders disponiert sind, bedürfen schon eines starken sozialen und fachlich profunden Umfeldes, um bei Krankheit diesen Perspektivwechsel zu schaffen.
Heinz-Peter Röhr (*1949) ist Pädagoge und Sozialarbeiter. Über 30 Jahre war er an der Fachklinik Bad Fredeburg im Sauerland für Suchtmittelabhängige tätig. Er ist Autor zahlreicher, sehr erfolgreicher Sachbücher.
Heinz-Peter Röhr „Wie Heilung gelingt – Die Seele von Schuld und Scham befreien“, Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2023, 205 S.