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Klaus von Dohnanyi „Nationale Interessen, Orientierung für deutsche und europäische Politik in Zeiten globaler Umbrüche“

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Klaus von Dohnanyi „Nationale Interessen, Orientierung für deutsche und europäische Politik in Zeiten globaler Umbrüche“

©Siedler Verlag, 2022

In den USA beherrscht immer noch Mackinders Midlandtheorie aus den 30er Jahren das politische Denken. Europa fungiert nach wie vor als militärischer Brückenkopf Richtung Asien. Es geht weder um die Stärkung noch den Schutz Europas, sondern allein um den Anspruch der USA Weltmacht Nr. 1 zu bleiben. Obwohl die USA nach dem Zweiten Weltkrieg als Hegemon Europas weitere kriegerische Auseinandersetzungen verhinderten, ließen sie in Jalta 1945 die Spaltung Europas zu, nach Klaus von Dohnanyis Meinung die größte Fehlentscheidung. Deutschland und in Folge das gesamte westliche Europa wurden durch den sicherheitspolitischen atomaren Schutz ganz bewusst in eine gefährliche Konfrontation mit Russland und China gedrängt, wodurch Klaus von Dohnanyis Verständnis für Russlands Angst vor der westlichen Bedrohung resultiert.

Die Wiedervereinigung Deutschlands bewies, wie sich das bessere System auf friedlichem Weg durchsetzen konnte. Die USA setzten dagegen immer wieder auf militärische Eingriffe, zogen sich ohne Chance auf einen Sieg einfach zurück, hinterließen in Vietnam, im Irak, in Afghanistan und Syrien verbrannte Erde, ohne Verantwortung zu übernehmen und überließen Europa die Lösung der Flüchtlingsproblematik. Da das militärische Erobern nicht mehr funktioniert, setzen die USA zunehmend auf Wirtschaftskriege durch Sanktionen, wodurch ein enormer Erpressungsdruck auf die nationalen Interessen der Partnerländer entsteht. 

Klaus von Dohnanyi geht aber auch mit der EU ins Gericht, deren ständige Gängelungen kontraproduktiv zur Globalisierung stehen. Je globaler gedacht und geplant wird, desto wichtiger werden die nationalen Interessen, die letztendlich die geeigneten Antworten geben können. Um wettbewerbsfähig zu sein, dürfen Großprojekte nicht von der EU eingeengt werden. Nicht die EU, sondern die Nationalstaaten sind demokratisch gewählt und tragen deshalb gegenüber ihren Bürgern die Verantwortung, die die EU nicht ständig zu sanktionieren hat. Statt finanzieller Unterstützung muss Selbstfinanzierung das oberste Gebot der EU sein. Die EU sollte sich auf die Kernthemen Klimawandel und Katastrophenschutz beschränken. 

Was sind aber nun die nationalen Interessen Deutschlands? Für Klaus von Dohnanyi ist die Basis der Föderalismus, wodurch sich Deutschland deutlich von anderen europäischen Ländern unterscheidet. Als Konglomerat aus unterschiedlichsten Herzogtümern gegründet kristallisierte sich der erfolgreiche Sozialstaat als das große nationale Interesse heraus. Intensive Handelsvernetzungen und Frieden sind dabei unverzichtbar. Daraus ergibt sich Klaus von Dohnanyis konsequente Forderung nach neuen Sicherheitsstrategien der NATO und einer „allianzneutralen Position Europas“. Es ist eine Entspannungspolitik zwischen Ost und West, Russland, China und USA anzustreben. Der Weg der Annäherung, wie ihn in den 1960er Jahren Nixon und Kissinger, dann Willy Brandt vorlebten, müsste wiederbelebt werden, damit der „kalte Krieg nicht in einen heißen“ mündet. 

Kurze Zeit nach der Publikation trat der Ernstfall ein und beweist einmal mehr, wie wir von den nationalen Interessen der USA manipuliert werden. Klaus von Dohnanyis Perspektivwechsel lohnt zu lesen.

Klaus von Dohnanyi „Nationale Interessen, Orientierung für deutsche und europäische Politik in Zeiten globaler Umbrüche, Siedler Verlag, München  2022, 240 S.