Applausfoto@Michaela Schabel
Möglich war dieses breit angelegte Programm, weil Kurator Thomas Hampson, der vor fünf Jahren die Schubert-Woche in Kooperation mit der Heidelberger Liedakademie initiierte, für 2023 das Programm bis ins 20. Jahrhundert erweiterte, um die Liedform über Musikepochen hinweg in ihrem tiefsten Anspruch zu zeigen, nicht als Unterhaltung, sondern „als „Zeugnis und Tagebuch menschlichen Daseins“.
Suzan Zarrabis durchglühtes Timbre eignet sich hervorragend für Liedinterpretationen zwischen kraftvoller Leidenschaft, romantischem Leiden und subtiler Introversion. Hellstrahlendes Glück „Du meine Wonne, du meine Lust…“ (Loewe) verwandelt sich in düstere Tiefe „… allein sein bis in den Tod“ (Franz) oder oszilliert „In Tränen unendlicher Lust…“ (Loewe) in ambivalenten Klangfarben. Von bester Hand gefördert, Thomas Hampsons Liedakademie gilt als Talentschmiede der LiedsängerInnen von morgen, erkennt man die Qualität von Suzan Zarrabis Interpretationen nicht nur sofort an ihren facettenreichen Klangfarben, sondern auch an ihrer beachtenswerten Technik. Voll und rund gesungen werden die Vokale zu lautmalenden, sinnlich atmosphärischen Akzenten. Mühelos über mehrere Zeilen lange Enjambements in einem Atem singend gelingen narrative Strukturen, versadäquate Dynamisierungen. Dialogische Sequenzen wirken lebendig, einfache Beschreibungen spannend. Ungewöhnliche Intonationen lassen wie im „Alleluia“ der „Jungen Nonne“ (Schubert) neue Facetten entdecken. Suzan Zarrabi beherrscht die Kunst der Pause, allein die Textverständlichkeit lässt trotz der erstklassigen Akustik im Pierre Boulez Saal noch Wünsche offen. Erst durch das Mitlesen im Textheft, das die Liedtexte der beiden Konzerte der Schubert-Woche 2023 enthält, offenbart sich der ganze Kosmos der Lieder.
Höhepunkt dieses Liederabends war weniger Franz Schubert, vielmehr Claus Loewe und ganz besonders Kurt-Weill. Sängerisch, textlich und schauspielerisch gelang Suzan Zarrabi mit Weills Liedern ein fulminanter Abschluss vor der Pause und ein noch fulminanterer Teil danach, den sie mit Hollaenders karikierend witzig interpretierten „Kleptomanin“ beendete.
Gerold Huber weiß alle Stile nuanciert zu begleiten, setzt kleine Tonakzente, drängt sich nie während des Gesangs in den Vordergrund und lässt in den Zwischenspielen aufhorchen.
Applausfoto@Michaela Schabel
Wie exzellent beide KünstlerInnen auch moderne Lieder umsetzen können, zeigte die zweite Zugabe des österreichischen Komponisten Friedrich Cerha. Auch davon hätte man gerne noch mehr gehört.