©Landestheater Niederbayern, Peter Litvai
Ein schlichtes Bühnenbild genügt, in diesem Fall eine bühnenlange Türreihe davor ein sich nach hinten verengender Würfel, um ohne Aufwand getrieben von den unergründlichen und unglaublichen Zufällen des Schicksals schnell Innen- und Außenräume zu wechseln.
Die Handlung trieft vor Ungereimtheiten. Leonora, die Tochter des Marchese liebt Don Alvaro, ebenfalls von blauem Blut, aber ein Fremder, ein Mestize und damit nicht schwiegersohntauglich. Als das Liebespaar fliehen will, löst sich versehentlich ein Schuss aus der Pistole Don Alvaros, der den Vater trifft. Sterbend verflucht er die Tochter. Sohn Carlos schwört Rache, verfolgt die Liebenden, die sich aus den Augen verlieren, worauf Don Alvaro in den Krieg zieht und Leonora als Nonne in einer Einsiedelei Schutz sucht. Das Schicksal führt Alvaro und Carlos zusammen, ohne dass sie sich erkennen. Sie werden Freunde, retten sich gegenseitig das Leben. Als Carlos Alvaros Identität herausfindet, fordert er ein Duell. Er wird tödlich getroffen. Mit letzter Kraft ersticht er seine Schwester. Don Alvaro sucht im Glauben Trost.
Regisseurin Margit Gilch hinterfragt in ihrer Inszenierung den Glauben an das Schicksal. Bis zu acht Raben, man denkt unwillkürlich an den Jugendbuchklassiker „Krabat“ sind immer wieder als böse Geister des Schicksals präsent. Gleichzeitig karikiert Margit Gilch mit grotesk leuchtenden Kostümen die Kraft des Glaubens aus zwei diametral entgegengesetzten Positionen, die der Wahrsagerin und die der katholischen Kirche.
Im hochgeschlitzten, knallengen, pinkfarbenen Kleid, provokativ in der Kneipe, noch mehr auf dem Schlachtfeld im Spreizsitz auf einer Kanone verdreht Reinhild Buchmayer als aufreizende Soldatenbraut den Männern den Kopf. Durch ihr durchdringendes Stimmvolumen und schauspielerisches Talent avancieren diese Szenen zum rustikalen Amüsement in der ansonsten von Liebe und Tod geprägten Opernhandlung.
©Landestheater Niederbayern, Peter Litvai
Auch die Kirche bekommt ihr Fett weg, was allerdings konträr zur Partitur nicht immer Sinn ergibt, Ein lila Anzug befördert den Pater ironisch auf bischöfliches Management. Doch Heeyun Chois tragend balsamischer Bass gibt der Figur die Würde sanfter Fürsorge zurück.
Dass auch noch das Kreuz in Mondrians Farbflächen in die Schublade modischer Vermarktung gerückt wird, ist letztendlich nur noch belanglose Effekthascherei. Was mit den Krähen geheimnisvoll beginnt, löst sich in schöne Bilder ohne Tiefgang auf. Der Rassismus des Marchese als Auslöser dieser Kettenreaktion findet dagegen keinerlei Thematisierung.
Wenn das Regiekonzept auch nicht wirklich zündet, hat das Landshuter Ensemble beachtliche Stimmen vorzuweisen, die trotz der Verstärker individuelles Timbre entwickeln.
Heeyun Choi als Vater und Pater zu hören, ist ein Genuss. Bariton Julian Younjin Kim lotet die Untiefen in Carlos Charakter überzeugend aus. Heldentenor Konstantinos Klironomos glänzt in der besuchten zweiten Aufführung vor allem in den Mittellagen. In den Höhen wirkt er zunehmend angestrengt. Kein Wunder, Verdi komponierte diese Rolle für den damaligen Startenor Enrico Tamerliki besonders anspruchsvoll.
Umso mehr strahlt Yitian Luan, die mit ihrem glühend dramatischen Sopran Leonoras Liebesleid mit explosiver Wucht, in langgezogenen Decrescendi auch sehr verinnerlicht auszudrücken weiß. Peter Tilch erobert als burlesk agierender Fra Melitone mit seinem erfrischend variantenreichen Bariton die Herzen des Publikums.
©Landestheater Niederbayern, Peter Litvai
Großes Lob gilt dem Chor, der zwischen volksmäßiger Ausgelassenheit und religiöser Andacht, auf und hinter der Bühne gesangliche Akzente setzt.
Eine kleine Anmerkung Richtung Publikum:
Ausgesprochen rücksichtslos ist das Verhalten etlicher Besucher, die während der Vorstellung fotografieren und das Libretto am Handy mitlesen. Das stört nicht nur die KünstlerInnen, sondern auch das Publikum.