©Kulturmobil, Harry Zdera
Unter der Regie von Christoph Krix gewinnt das bewusst etwas behäbig beginnende Stück durch schnelle Taktung an Fahrt. Die Formulierungen gehen unter die Haut, provozieren nicht nur Lacher, sondern einen Nahkampf, der Wunden zufügt und durch die Nähe zum immersiven Theater das Publikum zum Mitentscheiden ermächtigt.
Jede Figur steht für eine gesellschaftliche Gruppe. Melanie (Lina Maria Spieth) bringt mit ihrer Gutmensch-Mentalität den Stein ins Rollen, indem sie einen zweiten Grill fordert, überhaupt nicht akzeptabel für Vizevorstand Matthias (Stefan Voglhuber), der sich in seiner kleinbürgerlichen Geltungssucht immer mehr als populistischer Rechter outet und nur allzu gern Heribert (Peter Kempkes) als Vorstand ausbootet. Melanies Mann Torsten (Julius Bornmann), veganer Atheist, Inkarnation der Toleranz rastet eifersüchtig, doch sehr intolerant aus, und Erol (Kolja Heiß) bringt mit einer grotesken Parodie türkischer Klischees das Fass zum Überlaufen und argumentiert, völlig abrupt, angesichts der Flüchtlingssituation wie ein AfDler „Wo bist du mein Deutschland?“
©Kulturmobil, Sabine Bäter
Ständig verschieben sich die Postionen, irritieren durch unerwarteten Schlagabtausch. Nach eitel Sonnenschein steigern sich die Eskalationsstufen bis zu Knock-out-Situationen. Da helfen keine Entschuldigungen mehr, nur noch der Austritt aus dem Verein. Plötzlich fehlt dem Autokraten Heribert die Gefolgschaft. Das ist eine erfrischend ironische Inszenierung zum 25-jährigen Jubiläum des Kulturmobils, die sehr deutlich karikiert, wie wir eigentlich leben sollten.
Genau um diese Frage kreist auch das Kindertheater mit der „Geschichte vom Un-geheuer“. Ist das Un-geheuer tatsächlich so schlimm, dass alle davor Angst haben müssen? Oder ist es nur individuell und eine Frage der Betrachtung?
Alle nehmen vor dem „Un-geheuer“ reißaus. Zu bizarr ist sein Aussehen, seine Kleidung, seine Figur. Weil es so seltsam aussieht, hat jeder Angst vor ihm. Ein Erzähler (Johannes Schön) möchte „Die Geschichte vom Un-geheuer“ zum Besten geben, doch das Ungeheuer (Eva Gottschaller) plappert ständig dazwischen, will sich nicht bevormunden lassen, Freude haben, Waffeln essen, Schach spielen, in die Oper gehen. Ob es nicht sein „Un“ dem Trödler oder der Nachbarin (Laura Trischkat) andrehen könnte? Dabei ist doch gerade das „Un“ das Besondere an ihm. Es herzugeben wäre unverzeihlich, das hieße, wie alle anderen sein zu wollen und wäre viel zu langweilig.
Lena Hachs Kindertheaterstück „Die Geschichte vom Un-geheuer“ zielt auf Freundschaft trotz äußerer Unterschiede. Wer Freunde hat, bekommt Selbstbewusstsein, auch wenn man nicht der Norm entspricht.
©Kulturmobil, Michaela Schabel
Unter der Regie von Mareike Zimmermann gelingt ein ausgelassen, fröhlich ausgestelltes Kinderstück, das durch die ständigen Versprecher des Erzählers zum Lachen animiert und das Publikum miteinbezieht. „Nein, nicht Tanzen, Wanzen hat er gesagt“, moniert das Ungeheuer mit Hilfe des Publikums, das dieses Ungeheuer immer sympathischer findet und begeistert mitschwingt, wenn es vor Glück tanzt, als es endlich eine Freundin findet, mit der es in die Oper gehen darf. Dass rundherum die Plätze in der Oper plötzlich frei sind, spielt jetzt keine Rolle mehr. Der Blickwinkel hat sich verändert.
Wenn das Wetter mitmacht, der jeweilige Spielort über einen atmosphärischen Park oder Platz verfügt, bietet die 25ste Tour des Kulturmobils eine sehr amüsante Sommernacht.
25 Jahre Kulturmobil Niederbayern
1997 kurvte das Kulturmobil zum ersten Mal von Deggendorf aus durch Niederbayern. 6000 Reisekilometer legt es seitdem jedes Jahr kreuz und quer durch Niederbayern zurück. Den 30 Mitwirkenden vor, auf und hinter der Bühne ist es zu verdanken, dass jedes Jahr von Anfang Juni bis Anfang September 60 Vorstellungen an 30 Orten in 9 Landkreisen stattfinden können, ein Theaterstück für Kinder, ein zweites für Erwachsene. Der Eintritt ist frei. Das Projekt wird vom Bezirk Niederbayern finanziert. Inzwischen war das Kulturmobil schon in 160 Gemeinden zu Gast vor circa 360000 Zuschauern.