©Stadttheater Regensburg, Martin Sigmund
Man kennt die dystrophe Geschichte von Aldous Huxleys „Brave New World“ (1932) und George Orwells „1984“ (1949), beide zweifelsohne von Samjatin inspiriert. Darya Panteleeva destillierte aus dessen Romanmotiven zusammen mit Anton Lubchenko das überaus intelligente Libretto von „Wir“. Sie selbst konnte bei der Premiere in Regensburg nicht anwesend sein, weil sie auf Grund der Teilnahme an einer Friedensdemonstration verhaftet wurde.
Für die komplexe Inszenierung hatten Christina Schmidt, Chefdramaturgin im Haus, und Regiesassistent Maximilian Eisenacher nur vier Wochen Zeit. Ein Kraftakt, der musikalisch und optisch, wie schon bei Lubchenkos erste Auftragsoper „Dr. Schiwago“ (2015) überraschende Akzente setzt, in der jedes Detail passt und exakt der Geschichte entlang inszeniert wird.
„Wir“ spielt in einer technisch perfekten Raumkapsel. Videoprojektionen verwandeln Menschen in algorhythmische Zahlenreihen. Mathematik und Geometrie beherrschen diese Welt, voyeuristisch hinter den Kulissen beobachtet vom Großen Wohltäter, unter dessen gepflegter Guru-Erscheinung ganz in Weiß ein gnadenloser Machtmensch agiert. Pandemie-Abstand wird zur gesellschaftlichen Norm im Alltag. Wie Roboter wirken die Menschen in ihren grauen Funktionsanzügen (Bühne, Kostüme Michael Lindner). Das Leben verläuft schabloniert. Lubschenkos mitreißender Musikstilmix akzentuiert die Handlung, dynamisiert die eher statische Personenregie entlang der Rampe und oszilliert durch die fulminanten Stimmen zunehmend zwischen brachialer Gewalt und lyrischer Subtilität.
Als D-503, Ingenieur der Raumsonde Integral, der freigeistig denkenden, unabhängigen I-330 begegnet, ändert sich sein Leben. Seine bisherige Geliebte, die Biologin O-90 (Yulia Kuchina-Patricelli), gleichzeitig auch die Geliebte seines Freundes tritt in den Hintergrund, selbst als sie gegen die Regeln ein Kind gebiert, das auch seines sein könnte. Liebesgefühle, die D-503 bislang nicht kannte, werden als Krankheit diagnostiziert. „Es wächst eine Seele“, konstatiert der Doktor, aber man kann sie nicht wie eine Niere wegoperieren. Sie ist vielmehr wie ein Virus, das sich pandemisch verbreitet und strengstens bekämpft werden muss, indem man allen Kindern die Phantasie aus dem Kopf wegoperiert.
Unter der musikalischen Leitung von Tom Woods tobt Lubchenkos Musik in komplexen Tonstrukturen. Woods schöpft alle Dynamiken aus. Die Schlagwerke erklären den Krieg, dazwischen die wuchtig tiefe Tonalität des Bassfagotts, heldisch die Propagandamelodien, aufgepeppt durch einen zackigen Wahl-Rapp (Roman-Ruslan Soltys), zwischendurch jazzig mit Saxophon und Dixieland-Drive, romantisiert durch das Anklingen russischer Melodien und als Inseln des wahren Glücks die groß angelegten Arien von D-503 und I-330.
Sängerisch sehr gut, vorwiegend aus dem Haus besetzt, kommen die Stimmen trotz der Orchester-Fortissimi bestens zur Wirkung. Bariton Igor Onishchenko und Sopranistin Gesche Geier in den Hauptrollen harmonisieren in satten Klangfarben als Liebespaar.
Man kennt die dystrophe Geschichte von Aldous Huxleys „Brave New World“ (1932) und George Orwells „1984“ (1949), beide zweifelsohne von Samjatin inspiriert. Darya Panteleeva destillierte aus dessen Romanmotiven zusammen mit Anton Lubchenko das überaus intelligente Libretto von „Wir“. Sie selbst konnte bei der Premiere in Regensburg nicht anwesend sein, weil sie auf Grund der Teilnahme an einer Friedensdemonstration verhaftet wurde.
Für die komplexe Inszenierung hatten Christina Schmidt, Chefdramaturgin im Haus, und Regiesassistent Maximilian Eisenacher nur vier Wochen Zeit. Ein Kraftakt, der musikalisch und optisch, wie schon bei Lubchenkos erste Auftragsoper „Dr. Schiwago“ (2015) überraschende Akzente setzt, in der jedes Detail passt und exakt der Geschichte entlang inszeniert wird.
„Wir“ spielt in einer technisch perfekten Raumkapsel. Videoprojektionen verwandeln Menschen in algorhythmische Zahlenreihen. Mathematik und Geometrie beherrschen diese Welt, voyeuristisch hinter den Kulissen beobachtet vom Großen Wohltäter, unter dessen gepflegter Guru-Erscheinung ganz in Weiß ein gnadenloser Machtmensch agiert. Pandemie-Abstand wird zur gesellschaftlichen Norm im Alltag. Wie Roboter wirken die Menschen in ihren grauen Funktionsanzügen (Bühne, Kostüme Michael Lindner). Das Leben verläuft schabloniert. Lubschenkos mitreißender Musikstilmix akzentuiert die Handlung, dynamisiert die eher statische Personenregie entlang der Rampe und oszilliert durch die fulminanten Stimmen zunehmend zwischen brachialer Gewalt und lyrischer Subtilität.
Als D-503, Ingenieur der Raumsonde Integral, der freigeistig denkenden, unabhängigen I-330 begegnet, ändert sich sein Leben. Seine bisherige Geliebte, die Biologin O-90 (Yulia Kuchina-Patricelli), gleichzeitig auch die Geliebte seines Freundes tritt in den Hintergrund, selbst als sie gegen die Regeln ein Kind gebiert, das auch seines sein könnte. Liebesgefühle, die D-503 bislang nicht kannte, werden als Krankheit diagnostiziert. „Es wächst eine Seele“, konstatiert der Doktor, aber man kann sie nicht wie eine Niere wegoperieren. Sie ist vielmehr wie ein Virus, das sich pandemisch verbreitet und strengstens bekämpft werden muss, indem man allen Kindern die Phantasie aus dem Kopf wegoperiert.
Unter der musikalischen Leitung von Tom Woods tobt Lubchenkos Musik in komplexen Tonstrukturen. Woods schöpft alle Dynamiken aus. Die Schlagwerke erklären den Krieg, dazwischen die wuchtig tiefe Tonalität des Bassfagotts, heldisch die Propagandamelodien, aufgepeppt durch einen zackigen Wahl-Rapp (Roman-Ruslan Soltys), zwischendurch jazzig mit Saxophon und Dixieland-Drive, romantisiert durch das Anklingen russischer Melodien und als Inseln des wahren Glücks die groß angelegten Arien von D-503 und I-330.
Sängerisch sehr gut, vorwiegend aus dem Haus besetzt, kommen die Stimmen trotz der Orchester-Fortissimi bestens zur Wirkung. Bariton Igor Onishchenko und Sopranistin Gesche Geier in den Hauptrollen harmonisieren in satten Klangfarben als Liebespaar.
©Stadttheater Regensburg, Martin Sigmund
Ganz in Rot verwandelt sich Gesche Geier beim ersten Rendevous in eine blonde verführerische Femme Fatale. Und doch gelingt es ihr nicht D-503 zur Flucht zu bewegen, obwohl sie ihm durch eine kleine Türe die Welt jenseits der grünen Linie zeigt, auf die Außenwand der Raumkapsel projiziert und durch ein Hippie-Pärchen beim Picknick dupliziert. In der Kapsel wird der Wahlbetrug offengelegt. Ein transparenter Aktenvernichter zerschnippelt die Wahlscheine und trotz der Stimmverweigerung von I-330 deklariert der große Wohltäter (Sopranist Onur Abaci) das einstimmige Wahlergebnis. Die beiden widerständigen Frauen werden wie einst die Hexen verbrannt. Als Strafe muss D-503 dabei zuschauen und verliert darüber den Verstand. Eine großartige Oper!