München – Toshiki Okadas Stück „The Vakuum Cleaner“, eine Produktion der Münchner Kammerspiele, eingeladen beim „Virtuellen Berliner Theatertreffen 2020“

Theaterkritik "The Vacuum Cleaner" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Julian Baumann 

Im Theaterstück „The Vakuum Cleaner“ wird der Staubsauger zum Symbol des Hikikomori-Phänomens, der alles wie der Turbokapitalismus in sein Vakuum hineinzieht und den Menschen zu beseitigendem Staub degradiert. 

Der Plot von Toshiki Okadas neuem Stück, uraufgeführt in den Münchner Kammerspielen, zeigt unterschiedliche Formen von Vereinsamung. Julia Windischbauer als personifizierter Staubsauger öffnet aus der Ameisenperspektive dieses Putzgeräts den Blick auf die „Lost Generation“ im  Turbokapitalismus, das große Thema Toshiki Okadas.  

Homare (Annette Paulmann), eine Mädchenfrau im fortgeschrittenen Alter ist eine Hikikomori. Sie verlässt kaum ihr Zimmer und lebt mit ihrem 80-jährigen Vater, ihrem Bruder und dessen Freund im Elternhaus. Fünf Positionen knallen aufeinander. Homare  monologisiert, warum sie so  ist, wie sie ist und findet in den Erinnerungen an ihre Kindheit die Gründe für ihr Anderssein. Dem Bruder (Damian Rebgetz), ebenfalls ein Vereinsamter, der kaum noch einsame Plätze in der Natur findet, erlebt  im Vergleich zum reglementierten Leben Japans die unbeschnittenen Stadtbäume São Paolos als Offenbarung der Freiheit. Als er das Haus bunt bemalt, kommen die Farben nicht zur Wirkung. Die Luft ist einfach zu schlecht. Der Freund (Thomas Hauser) schämt sich für seine Feigheit, vier Tage lang die Tretmühle und Vereinsamung als Lagerist bei Amazon, Sinnbild dieser ganzen „Weltverscheißerung“,  ausgehalten zu haben.

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©Julian Baumann

Ohnmächtig sind alle miteinander. Selbst der Vater (Walter Hess), ein Relikt aus ferner Zeit, kann mit seinen Kindern nicht mehr kommunizieren. 

Als Regisseur macht es Toshiki Okada seinem Publikum nicht leicht. Die Ursachen der Vereinsamung lässt er in dieser entnervenden Inszenierung die Zuschauer selbst fühlen. Der Hintergrundsound, Staubsaugergeräusche kombiniert  mit hämmerndem Xylophon, zerrt an den Nerven. Die Menschen, jeder ein individueller Performer ganz für sich,  bewegen sich, der Vater ausgenommen, spastisch wie Roboter, wirken wie animierte  Playmobilfiguren mit jeder Menge Ticks, in denen unterdrückte Natürlichkeit deutlich wird. Intensiv farbige Klamotten übertünchen die seelischen Befindlichkeiten Grau in Grau. Die Monologe über ausufernde Banalitäten erfordern Geduld. Nur sporadisch tauchen markant formulierte Gedanken auf.

Das Ganze spielt im ästhetischen Umfeld eines modernen Splitlevelhauses, das mit Papierwänden und -türen an japanische Kultur erinnert und gleichzeitig die Anonymität globaler Baukastenarchitektur vermittelt, die Räume in kafkaeske Käfige verwandelt.

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©Julian Baumann

In der virtuellen Fassung durch Parallelprojektionen von Detailaufnahme und Totale, eingeengt durch neonfarbene Farbstreifen oder durch Formate en miniature kontrastiert, schieben sich Stimmungen und Sehnsüchte in den Vordergrund, unecht wie Leuchtreklame. Der globale Turbokapitalismus nimmt den Menschen, das, was sie ausmacht, die Emotionen und die Kommunikation, so die Botschaft.

Bühne Dominic Huber, Kostüme Tutia Schaad, Musik Kazuhisa Uchihashi, Licht Pit Schultheiss,Dramaturgie Tarun Kade, Makiko Yamaguchi