"Kultur macht glücklich"


München – Christian Stückls Uraufführung „Lichtspiel“ nach dem gleichnamigen Roman von Daniel Kehlmann im Volkstheater über das Mitläufertum 

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München – Christian Stückls Uraufführung „Lichtspiel“ nach dem gleichnamigen Roman von Daniel Kehlmann im Volkstheater über das Mitläufertum 

©Volkstheater München, Foto: Arno Declair

Dunkel, düster wirkt die Bühne voller schwarzer Filmspulen um ein großes Vorführgerät, die sich gegen die dreiseitigen, weiß-grauen Himmelsprojektionen gespenstisch abheben und großflächigen Einspielungen von archivierten Filmausschnitten Raum geben. Motorengeräusche machen die Zukunft hörbar. 1939, noch ist Frieden und der in Deutschland gefeierte Filmregisseur Georg Wilhelm Pabst in Kalifornien, um… 

in Hollywood seine Karriere fortzusetzen. Die Filmemacher der Weimarer Zeit stehen momentan im Interesse der Kultur. Nach dem Dokumentarfilm von Andres Veiels „Riefenstahl“ präsentiert Christian Stückl jetzt im Münchner Volkstheater eine spannende Dramatisierung von „Lichtspiel“ nach Daniel Kehlmanns gleichnamigem Roman. Die Familie Pabst, alles andere als glücklich über diesen Roman, bestand darauf den teilweise fiktiven Charakter zu betonen, was im Grunde unerheblich ist. Weder Roman noch Inszenierung wollen dokumentatorisch sein, sondern spiegeln als „Lichtspiel“ den schnellen, knallharten Paradigmenwechsel, in dem die Schatten vor rotem Hintergrund ins Riesenhafte wachsen und die Problematik der Verantwortlichkeit der Kunstschaffenden in einem System, das sich immer mehr radikalisiert, aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird. 

In Deutschland war Pabst (1885-1967) als österreichischer Filmemacher durch sein Können, insbesondere seine spannende Schnitttechnik protegiert und hochgelobt. Nach „Die freudlose Gasse“ (1925), „Die Büchse der Pandora“ (1929), vor allem Brechts Verfilmung der „Dreigroschenoper“ (1931) und „Kameradschaft“ (1931) wurde er als der „rote“ Pabst berühmt, hatte aber in den USA, wohin er 1933 emigrierte kein Glück. Sein Film „A Modern Hero“ mit kleinem Etat und wenig Gestaltungsmöglichkeiten floppte, weshalb er 1939 nach Deutschland mit der Begründung zurückkehrte, sich von seiner Mutter noch verabschieden zu wollen. Deutschland hatte sich bereits sehr verändert. Pabst muss sich mit Frau und Sohn mit der Hausmeisterwohnung begnügen. In der herrschaftlichen oberen Etage logiert das nationalsozialistische Hausmeisterpaar. Vor die Wahl gestellt KZ oder Filme für das Regime zu drehen, agiert Pabst systemfreundlich, während andere Filmregisseure wie Fritz Lange Deutschland schon längst Deutschland verlassen haben.

Die Raffinesse von Stückls Inszenierung ist seine Multiperspektivität. Pabsts ehemaliger Kameramann erzählt dessen Geschichte dem jungen Anwalt Rosenzweig, dessen Großvater im KZ ermordet wurde. Nahtlos alternieren Fragestellungen und Spielhandlung. In der Dunkelheit leuchten die Akteure wie Skulpturen, die ganz individuell als Kondensat einer Haltung agieren. Über den Anspruch der Kunst, die bleibt, wenn politische Verhältnisse sich längst geändert haben, blendet Stückl den Schrecken des Nationalsozialismus aus. Lapidare Sätze wie „Man verbiegt sich tausend Mal, aber man stirbt nur einmal“ sind das bittere Resümee. Das Angebot mit großem Etat und in völliger Selbstständigkeit produzieren zu können, vor allem aber die Bedingung „für unsere Leute Kunst zu machen“, macht aus Pabst einen Mitläufer und Unterstützer des Nationalsozialismus, weil seine Filme verfälschte Welten spiegeln.

Silas Breiding spielt diesen Pabst im Anzug mit Brille wie einen in sich versponnenen Autisten, der zunehmend in seiner Gedankenwelt lebt und nur daran interessiert ist, immer noch bessere Filme zu machen, ohne zu hinterfragen, woher er seine StatistInnen bezieht, deren Leidensblicke er ohne auch nur einen Anflug von Empathie filmisch als Faszination über ein Tanzspektakel ummünzt. Bei einer kurzen Kooperation mit Leni Riefenstahl prallen zwei unbeugsame, konkurrierende Egos aufeinander, parodistisch überzeichnet, einer der wenigen Momente zum Lachen.

Theaterkritik von Stückls "Lichtspiel" im Münchner Volkstheater präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Volkstheater München, Foto: Arno Declair

„Der Fall Molander“, in der Endphase des Zweiten Weltkrieges gedreht,  sollte Pabsts Meisterwerk werden. Als der Film verlorengeht, zerbricht Pabst daran. Die Familie ist schon davor zerbrochen. Als Sohn, eine rein fiktive Figur, entwickelt sich Cedric Stern vom pummeligen Kind, ins Internat abgeschoben, in einen fanatischen Kämpfer für den Nationalsozialismus. Pabsts Ehefrau, mit Carolin Hartmann eine Grand Dame einer untergehenden Epoche, verweigert dagegen jegliche Sympathie mit den Nazis. Sie zahlt dafür den Preis der Vereinsamung. 

Drei Stunden Spannung entstehen durch die raffinierte Vermischung von Film und Bühne, Fokussierung auf relevante Textpassagen und eine ausgezeichnete schauspielerische Umsetzung unter Stückls präziser Personenregie. 

Künstlerisches Team: Christian Stückl (Regie), Stefan Hageneier (Bühne, Kostüme), Tom Zimmer (Musik), Max Bloching (Video), David Jäkel (Beleuchtung), Leon Frisch (Dramaturgie)

Mit: Silas Breiding, Carolin Hartmann, Cedric Stern, Nils Karsten, Jawad Rajpoot, Nina Noé Stehlin, Nils Thalmann, Maximiliane Haß, Jan Meeno Jürgens.