©Landestheater Niederbayern/Peter Litvai
Die Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg dankte König Edward VIII. im britischen Königreich ab, weil er seine Geliebte nicht heiraten durfte, sein jüngerer Bruder, groß geworden unter dem Druck, keinerlei Emotionen zu zeigen, von Kindheit an dressiert, die Erwartungen des königlichen Status zu erfüllen, stottert.
Auch die Kindheit des Autors David Seidler war vom Stottern geprägt. Als seine Eltern 1939 in die USA auswanderten und das Schiff torpediert wurde, begann er zu stottern. Nach vielen Therapieversuchen überwand David Seidler das Stottern, wie einst König George VI. durch den australischen Therapeuten Lionel Logue. Über deren Geschichte und Freundschaft schrieb David Seidler ein Drehbuch, das 2010 verfilmt und ein Jahr später vierfach mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. 2011 hatte „The King´s Speech“ auf der Bühne in London Premiere.
Unter der Regie von Sarah Kohrs entfaltet das Landshuter Theaterensemble ein subtiles Chargieren zwischen noblesser Würde und menschlicher Hilflosigkeit, intriganten Machenschaften und dem Herz auf dem rechten Fleck.
Jede Figur lässt im Typ individuelle Charaktereigenschaften aufleuchten, Jochen Decker sogar eine erkennbare optische Ähnlichkeit mit Winston Churchill.
©Landestheater Niederbayern/Peter Litvai
Julian Ricker als Erzbischof von Canterbury stilisiert und parodiert herrlich dessen Ambitionen als graue Eminenz hinter den Kulissen.
Reinhard Peer als König und Joachim Vollrath als Therapeut offerieren in den Rollen Persönlichkeiten, die standesgemäß nicht unterschiedlicher sein könnten und doch durch die unerfüllbaren Erwartungen und die daraus resultierenden Frustrationen ähnliche Strukturen haben. „Ich bin kein König“, schreit der eine, der andere wäre so gerne ein hochkarätiger Schauspieler. Letzterer gibt auf, der andere beginnt unter der Anleitung des Therapeuten zu kämpfen, indem er kapiert, dass auch er das Recht hat, gehört zu werden. Die unbestechliche Gelassenheit, der Humor und die mitmenschliche Sympathie, mit der Joachim Vollrath diese Rolle interpretiert, überzeugt nicht nur den König, sondern auch das Publikum, genauso wie Reinhard Peer sich durch seine Gefühlsausbrüche und langsame Selbstfindung als künftiger König in die Herzen der Zuschauer spielt. Endlich darf er einmal seine Meinung hinausschreien, das tun, wovon er glaubt, dass es richtig ist.
Die Therapie gestaltet sich schwierig. Reinhard Peer quält sich sichtbar. Doch selbst die Methode im Dreivierteltakt den Sprachfluss zu befeuern, eine herrliche Slapstick-Einlage, fruchtet nicht. Möglich ist die ganze Therapie ohnehin nur, weil Paula-Maria Kirschner als Ehefrau des künftigen Monarchen mit weiblichem Charme, kluger Taktik und situativem Fingerspitzengefühl verfahrene Situationen immer wieder rettet.
©Landestheater Niederbayern/Peter Litvai
Das Kontrastprogramm bietet Antonia Reidel, die als leicht aufbrausende, zur Hysterie neigende Klischeehausfrau des Therapeuten ihren Mann ständig ausbremst.
Ob der König tatsächlich die große Rede an die Weltöffentlichkeit vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wird halten können, bleibt bis zum Schluss offen, zumal die Position des Therapeuten ohne jegliche verbriefte Qualifikation „nur“ auf Grund der Erfahrungen mit Kriegsveteranen ins Wanken gerät.
Text, Inszenerierung und schauspielerische Umsetzung garantieren zwischen royaler Marschmusik und amerikanischen Swing-Rhythmen einen fröhlich beschwingten Theaterabend vor historischem Hintergrund.