Landshut – „Shakespeares sämtliche Werke“ im Landestheater Niederbayern

Theaterkritik "Shakespeares sämtliche Werke" im Landestheater Niederbayern präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Landestheater Niederbayern, Peter Litvai

Wer Shakespeare kennt, findet sich durch die Dschungel von Stückenamen und Handlungssplittern. Doch wer kennt ihn schon? Voller Schalk fragt Jochen Decker bei der Anmoderation den Wissenshorizont des Publikums ab, womit sich das Spektakel auch noch en vogue zum immersiven Theater weitet. Im Durcheinander gelingt jeder Gag. Nicht Shakespeare steht im Mittelpunkt, sondern das sichtliche Vergnügen der Schauspieler, eine überzogene Gaudi wie einst bei der Commedia dell’ Arte mit zauseligen Perücken und wenigen, universal verwendbaren Requisten. Im fliegenden Wechsel zünden sie zwischen bühnenhohen, in Himmelblau getauchten Quadern ein Feuerwerk karikierender Schauspielkunst. Damit neben dem überbordenden Spaß die Bodenhaftung nicht ganz verloren geht, gewährt eine 180 Grad Drehung eines Quaders gelegentlich den Blick in die Realität der Maske und des Theatermachens.

Stimmungsrakete Jochen Decker moderiert pfiffig an mit parodistischen Versprechern und dem Charme einer Stewardess, die routiniert die Überlebensmöglichkeiten beim Flugabsturz durchdekliniert. Mit hinreißender Eloquenz verweist er auf das nun folgende phänomenale Ereignis in der südsüdöstlichen Hemisphäre von Niederbayern und bereichert die Inszenierung durch seine grotesken Übertreibungen und Stimmlagen. 

Reinhard Peer bekommt sofort die Rolle aus der Rolle zu fallen, verortet Shakespeare in der NS-Zeit und karikiert süffisant durch die Stimmimitation von Deutschlands berühmtesten Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und simuliert Morricones „Spiel mir das Lied vom Tod“ vokal, ganz ohne Mundharmonika.

Als dritter im Bunde kommt lässig sportlich Paul Behrens direkt aus dem Publikum dazu. Er darf querbeet neben jugendlichen Helden von Julia bis Hamlets Mutter als smarte Queerlady alle Frauenrollen spielen. Im fliegenden Wechsel tauschen sie die Rollen, spielen sie sich gegenseitig die Stichwörter für den nächsten Gag zu. „Romeo und Julia“ „Macbeth und Hamlet“ im Schnelldurchgang, garniert mit perkussiven Songs. Sie fechten wild, verbraten Menschen grausig, metzeln nieder, stehen noch viel schneller wieder auf, liliputieren mit Handpuppen und demontieren Shakespeares Helden zu Lachnummern mit ironischen Anspielungen bis hin zu Yedi-Rittern, damit auch die filmorientierten Zuschauer ihr Déjà-vu-Erlebnis eines aktuellen Shakespeares haben.

Theaterkritik "Shakespeares sämtliche Werke" im Landestheater Niederbayern präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Landestheater Niederbayern, Peter Litvai

Shakespeares 110 Sonette passen auf eine einzige Moderationskarte, gar nicht erst nötig sie vorzutragen, das Publikum darf dankbar aufatmen, und wird dann doch eine kleine Passage im Original hörbar, klingt sie so verschraubt, dass Klaumauk die einzige Lösung der Darstellung zu sein scheint. 

Diese Possencollage ist nicht jedermanns Geschmack, doch die Schauspieler agieren gewitzt und selbstironisch. Sie freuen sich, dass nach der Pause immer noch so viele da sind und die klatschen und trampeln auch in der besuchten zweiten Vorstellung nach dem fulminanten Finale begeistert. Zum Shakespeare-Liebhaber wird man mit diesem skurrilen Stück, mit dieser klamaukigen Inszenierung wohl kaum.