©Landestheater Niederbayern/Peter Litvai
Regisseur Marcus Everding verzichtet auf eine Boulevardisierung, auf krachende Lacher in Wiederholungsschleife. Er fokussiert auf den Text, arbeitet trotz der rustikalen Handlung und des grobrhetorischen Schlagabtauschs Shakespeares subtile Verse und Stoppards britischen schwarzen Humor heraus. Die komplexen Spielebenen strukturiert er durch ein klares Setting, gelungenes Bühnenbild und einen Soundtrack komponiert von Bernd Meyer.
Zwischen Heck und Bug eines bühnengroß stilisierten Schiffs kommt die Inszenierung durch nahtlose Auf- und Abgänge von allen Seiten, paralleles Spiel vor und hinter der Bühne schnell in Fahrt. Zwischen Probengelärme Richtung Publikum und begeisterter Resonanz eines konkurrierenden Theaterspiels auf dem Schiffsbug hinter einem weißen Vorhang als Bühne auf der Bühne, spitzt sich die Handlung schnell zu. Vis á vis hinter dem Steuer handeln zwei Männer eine Hochzeit aus. Lord Wessex (Joachim Vollrath) braucht Geld. Sir Robert de Lesseps (Olaf Schürmann) will für seine Tochter den Adelstitel. Doch Viola hat ihre eigenen Vorstellungen vom Leben. Sie will in erster Linie Theater spielen, weil das nur Männern möglich ist, eben als Romeo in Shakespeares (Paul Behrens) neuem Stück. Shakespeare ist völlig überfordert. Eine Komödie mit Hund soll es sein, weil die Königin ein Faible für Hunde hat. Wäre nicht sein Freund Marlowe (Julian Ricker) brächte er keine Zeile zu Papier.
Als sich Shakespeare und Viola dann noch ineinander verlieben, wird aus der anvisierten Komödie seine berühmteste Tragödie „Romeo und Julia“ mit fetziger Fechtszene, romantischem Balkon-Tête-à-Tête und dramatischem Doppelselbstmord in der Kapelle, untermalt mit Flöte und Cembalo, das zwischendurch in bluesige Gitarrenriffs mutiert, Trommeln und Totenglocken. Und dann schlägt noch punktgenau die Landshuter Kirchturmuhr die volle Stunde. Die Situation wird durch die Souveränität der Königin gerettet. Berührt von der Liebesgeschichte „Romeo und Julia“ gibt sie bei Shakespeare ein neues Stück in Auftrag zuerst mit Hund, dann doch ganz einfach „Was ihr wollt“.
Diesen Plot nicht in Klamauk abgleiten zu lassen, ist schon etwas Besonderes. Allein die Laienschauspieler agieren ganz bewusst als Tölpel. Das Casting für die Rollenbesetzung wird zur Groteske. Dazu passt der ironisierende Micky-Mouse-Keyboard-Sound in Endlosschleife, der die Szenenwechsel dynamisiert. Mit einfachsten Mitteln wird inszeniert. Ganz schräg sind die Liebesszenen. Die Schauspieler im Halbkreis als Laube um Romeo und Julia herum hört man nur an den Zwischenrufen das wiederholte Misslingen der Kussszene und dann die Freude, als Shakespeare schnell vormacht, wie Küssen funktioniert. Balkonszenen und Bettgeflüster hinter wild bewegtem Vorhang werden dann schon etwas deutlicher.
Mit inszenatorischem Feingefühl balanciert Marcus Everding zwischen deftiger Handlung, kantiger Personenführung und subtilem Sprachwitz, gleichzeitig lässt er Raum für poetische Momente mit leicht parodistischer Patina. Jede Position adäquat besetzt, besticht die Ensembleleistung. Antonia Reidel glänzt als vife Amme. Jochen Deckers exzellenter Part als Fennyman war leider viel zu kurz. Maximilian Peisl brachte als Regisseur Ned Alleyn die Truppe auf Vordermann.
Durch schnelles Spieltempo, immer neue Positionierungen, prunkvolle Kostüme sorgt er für Dynamik, spielerische Handlungstransparenz, dramaturgische Abwechslung und immer wieder für witzige Überraschungen.
©Landestheater Niederbayer, Peter Litvai
Im Mittelpunkt steht immer mehr Viola. Überaus charmant, voller Poesie, aber auch sehr resolut und rational entwickelt sich Larissa Sophia Farr zur eigentlichen Hauptfigur. Selbstbewusst wagt sie, was verboten ist und ist dann doch so vernünftig nicht ihrem Herzen, sondern ihrem sozialen Instinkt zu folgen. Sie ist die jüngere Ausgabe der Königin, die diesen Weg schon vor Jahrzehnten beschritten hat. Ursula Erb gibt dieser Königin die Aura unverblendeter Sicht auf das Leben. Ihre Majestät weiß um die weiblichen Sehnsüchte und die Schwächen der Männer und benennt sie very british, mit trockenem Humor. Es sind die Frauen, die hier regieren und die Zügel in der Hand haben. Sie stehen für Mut, Verständnis und selbstbestimmte Klarheit. Dagegen wirken die Männer farbenfroh und kostummäßig aufgepolstert wie stolze Gockel.
Mit Herzblut gespielt, gelingt ein unterhaltsamer Abend.