Landshut – „Me and My Girl“ herzerfrischend inszeniert im Landestheater Niederbayern

©Landestheater Niederbayern, Peter Litvai

Das Musical war eigentlich verloren gegangen und wurde erst in den 1980er Jahren von Stephen Fry neu rekonstruiert. Die Story ist trivial, ein britisches Aufsteigermärchen mit allerlei Spötteleien auf die adelige High Society. Im Schloss Hareford wird endlich der lang gesuchte Erbe aus einer nicht adäquaten Beziehung des verstorbenen Schlossherren präsentiert. Fröhlich, schlagfertig ist Bill, ein sportlicher, gut aussehender Typ aus dem Lambeth-Arbeiterviertel mit starkem Cockney-Dialekt, auf Anhieb Sympathieträger, im Grunde die männliche Version von „My Fair Lady“. Seine „neue“ Tante, Herzogin von Dene, will ihm die nötigen Manieren beibringen, aber sein Mädchen Sally fernhalten, was ihr natürlich nicht gelingt und nach Herzschmerz-Szenen, flotten Tanzeinlagen auf ein dreifaches Happyend zielt.

Flott swingt der Sound, inklusive Banjo und Bassklarinette. Basil H. E. Coleman gibt Gas, ist ganz in seinem Element, dirigiert nicht nur, sondern spielt alle Pianoeinlagen selbst. Der Perkussionist hat alle Hände voll zu tun, die zusätzlichen Toneffekte zu produzieren. Passgenau swingt es auf der Bühne. Der Chor, von Eleni Papkyriakou klangschön geführt, zeigt sich quer durch die sozialen Schichten von den adeligen Gästen über das Küchenpersonal bis zu den Kumpeln aus dem Lambethviertel herrlich wandelbar, spiel- und tanzfreudig. 

Bei den SolistInnen ist jede Rolle bestens besetzt. Mit Jan Bastel und Cornelia Mooswalder als Gäste in den Hauptrollen und mit den Mitgliedern des Opernensemble gelingt ein mitreißender Drive auf allen Ebenen, sängerisch sehr schön mit dem Orchester ausbalanciert, tänzerisch (Choreografie Sunny Prasch) durch leichte Schrittkombinationen mit hopsender Elastizität, schwungvollen Armbewegungen dynamisiert, akzentuiert durch Stepp- und Ballroom-Einlagen von Bill und Sally als inniges, sehr auratisches Liebespaar. Und Schritt für Schritt explodiert in einem witzig choreografierten derb fröhlichen Lambeth-Walk die Stimmung, bei dem selbst der Adel Feuer fängt und alle Contenance verliert.

©Landestheater Niederbayern, Peter Litvai

Sprechtechnisch sehr natürlich und witzig artikuliert amüsiert eine Szene mehr als die andere. 

Bühne und Kostüme (Charles Cusick Smith & Philip Ronald Daniels) unterstreichen plakativ die bilderbuchartige Ambivalenz zwischen historischer Atmosphäre und parodistischer Übertreibung. Eine Riesenpostkarte immer wieder schräg einschwebend wird zwischen Erbdokument, Liebesbrief und Abschiedsbrief zum Schicksalssymbol für das Auf und Ab auf dem Weg zur Traumkarriere. In Sekundenschnelle wandeln sich die Räumlichkeiten im Schloss, in denen Bill von einem Fettnäpfen ins andere tritt und jedes Mal, very british, für einen Lacher sorgt. In der Ahnengalerie verlebendigen sich Vorfahren weniger als heldische denn als karikaturistische Geister vergangener Epochen in nächtlicher Stunde und im Nebel vor Sallys Wohnung visioniert Bill mit ihr den Hochzeitswalzer schon vorweg. 

Doch davor muss er noch die Umerziehungsversuche seiner Tante ertragen, von Henrike Henoch mit herrlich majestätischer Haltung und keck parodistischer Mimik gespielt, immer Grande Dame und so gar nicht die böse Alte, wie sie der alte Sir John, mit Peter Tilch ein origineller Zyniker, ständig bekrittelt. „Die Familie braucht neues Blut“ und deshalb soll Bill ihre Tochter Lady Jacqueline (Reinhild Buchmayer) heiraten, die ohnehin nur noch Augen für Bill hat, seit sie um die Schulden ihres viel zu tapsigen Verehrers (Daniel Preis) weiß. Ihre lasziven Marilyn-Monroe-Verführungskünste wehrt Bill humorvoll ab. Peter Tilch (Sir John) und Miroslav Stričević (Anwalt) sorgen für witzige Slapstickeinlagen. 

©Landestheater Niederbayern, Peter Litvai

Dass das alles so pointiert zündet, liegt aber zum großen Teil auch an der Textüberarbeitung Stefan Tilchs und der Dramaturgin Swantje Schmidt-Bundschuh, inzwischen eine feste Größe hinter den Kulissen bei witzigen Produktionen. Anstelle des nicht übersetzbaren Cockney Rhythm sorgen non-stop originelle Kalauer für jede Menge Lacher. 

Nach zwei Jahren Pandemie und wochenlangen Kriegsgräueln in der Ukraine darf endlich einmal auch herzhaft gelacht werden.