Landshut – Kultstück „Indien“ in den Kammerspielen Landshut

Theaterkritik "Indien" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Auf Anhieb wurde Josef Haders und Alfred Dorfers „Indien“ zum Kult, als das Stück von der Kabarettbühne einen überraschend guten Filmstart (1993) hinlegte. Jetzt übernehmen Andreas Bittl und Sven Hussock die Rollen der beiden gastronomischen Qualitätsprüfer Heinz Bösel und Kurt Fellner im Kleinen Theater Landshut. Die Geschichte bleibt die gleiche. Der eine mit Minimalhorizont nicht über die Grundbedürfnisse hinaus verschlingt ein Schnitzel nach dem anderen, sein Kollege etwas bildungsorientiert überprüft die Örtlichkeiten, nur Heinzi grantelt niederbayerisch, Kurti nervt hessisch. Da sitzen zwei vis-a-vis am Tisch, die sich im Grunde nichts zu sagen haben. Dem eisigen Schweigen folgt monologisches Nörgeln in derben Kraftausdrücken. Die Qualität des untersten gastronomischen Niveaus wird überprüft, wo man im Fleisch auf Flachsen beißt und die Klobürste braun ist. Das Kontrolleur-Duo ist streng. Fünf Minuten auf die warme Dusche warten geht gar nicht und 50 Minuten auf das Schnitzel schon erst recht nicht. Die Kellnerin, Anna Veit spielt sie zunächst herrlich dümmlich, scheint als würde sie Null kapieren. Devot wischt sie den Tisch ab, scheuert mit dem Fingernagel verkrustete Essensreste von der Resopaltischplatte, serviert, verschwindet, ein ums andere Mal. Mit einem lakonischen Einwurf über Relativitäts- und Quantentheorie verdutzt sie die spießigen Besserwisser. Der Gag aus der Feder Haders zündet, der nächste von Anna Veit selbst noch mehr. Von ihr stammt auch die subtile musikalische Konzeption mit filigranen Akkordeontönen und Gesang, wobei diese „Indien“-Produktion trotz aller verbaler Grobheiten unter die Gürtellinie immer wieder den eigentlichen Herzschmerz dahinter spüren lässt. 

Von einem Wirtshaus geht es ins nächste, statt wie im Film mit dem Auto erfolgt der Szenenwechsel atmosphärisch durch Abdunkeln und Eichendorffs Volkslied „Das zerbrochene Ringelein“. Zu dritt gesungen und gesummt schwingt bereits von Anfang das eigentliche Thema hinter der groben Fassade mit. Auch ein mieses Leben kennt Freundschaft, weiß um den Verlustschmerz durch Liebe und Tod.   

Als die Promille steigen, Heinzi von seiner Frau zu erzählen beginnt, geht es über diverse Kindheitserinnerungen, Strapse und Schnackseln,´ immer derber ans Eingemachte, sehr authentisch gespielt von Heinz Bösel und Kurt Fellner, die in ihren Rollen immer überzogener ausflippend zu Unsympathlingen degenerieren und dann doch trotz aller rustikaler Grobheiten freundschaftlich zusammenrücken und in ihrer menschlichen Hilflosigkeit liebenswerte Züge offerieren. Polyphon a capella erklingt „Freundschaft ist doch die Quelle aller Glückseligkeit“.

Als Kurti unerwartet „als letzter Patient im Altbau“ ins Krankenhaus muss, Anna Veit als hektische Krankenschwester ignorantisch hin und her huscht, weicht rabiate Ausdrucksweise geschmeidigeren Vergleichen mit religiösen Anspielungen. Wenn Kurti von der Transformation in eine andere Materie visioniert, wird angesichts des Todes plötzlich klar, warum das Stück „Indien“ heißt. Unsensibel monologisiert Heinzi weiter, während Kurtis Kopf schon nach vorne gefallen ist. In diesem Moment verdichtet sich die kabarettistische Realsatire zu einem berührenden Charakterstück.

Die nächsten beiden Vorstellungen von „Indien“ sind am 24. März um 20 Uhr und 2. April um 19 Uhr, weitere sind in Planung.