© Gianmarco Bresadola
Dabei kommt das Wesentliche zum Vorschein, hinter den hübschen Fassaden das Chaos des Innenlebens, zwischen den Zeilen jede Menge ironischer Anspielungen auf gesellschaftliche Klischees, treffsicher von Helmut Stürmers Bühnenbild gespiegelt. Der Blick auf eine elegante Wohnstraße suggeriert Reichtum, die Plastikfolie um das Fenster, die kärgliche Einrichtung der Wohnung dagegen Baustellencharakter bzw. Lucies Leere im Hirn. Die Themen gehen ihr aus. Sie kann nur schreiben, was sie erlebt, und in ihrer glücklichen Ehe mit einem bekannten Schauspieler passiert so gar nichts. Was ihr fehlt, hat er in Hülle und Fülle, originelle Ideen, selbst gegen ihre Schreibblockade. Ein visionierter Seitensprung bringt ihre Kreativität zurück. „Alles was sie wollen“ scheint in Erfüllung zu gehen. Sie bekommt ihr neues Stück, der Ehemann eine neue Rolle. Doch es ergeben sich unerwartete Figurenkonstellationen.
Mehr noch als im „Abschiedsdinner“ und „Der Vorname“ entwickelt das erfolgreiche französische Autorenduo Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière mit rhetorischer Eloquenz eine amüsante verschachtelte Boulevardkomödie, mit der Intendant Sven Grunert ganz bewusst heiter entspannte Akzente im Programm schaffen will.
Unter seiner Regie, ohne Pause inszeniert, gewinnt das Stück eine spannende dramaturgische Dichte, zwischen den verschiedenen Spielebenen entwickeln sich trotz des boulevardesken Schlagabtauschs poetische Momente. Es ist das Strahlen ihres Blicks, womit Katja Amberger diese Lucie trotz ihrer schrillen Egozentrik von Anfang an sympathisch erscheinen lässt.
© Gianmarco Bresadola
Es ist das Strahlen ihres Blicks, womit Katja Amberger diese Lucie trotz ihrer schrillen Egozentrik von Anfang an sympathisch erscheinen lässt. Wenn sie im blumigen Bademantel (Kostüme Irina Kollek) zu „Ain´t no sunshine“ tanzt und sich jeden Satz stirnrunzelnd abquält, kommt die feminine Seite dieser Figur zum Vorschein, die über ihre Romanfiguren von Emotionen träumt, die sie im Leben nicht zulässt. An ihrer Seite amüsiert Stefan Lehnen, optisch mit onkelhafter Gelassenheit mit messerscharfen Pointen und boulevardesker Mimik. Beide zusammen wirken trotz der abstrusen Handlung ungewöhnlich authentisch, oszillieren nahtlos zwischen den Spielebenen und lassen trotz der komödiantischen Running Gags zwischenmenschliche Tiefe aufleuchten. Unter der präzisen Personenregie Sven Grunerts kommt der Sprachwitz des Stückes bestens zur Wirkung, nicht nur „Nicht witzig, aber packend“, sondern witzig und packend, sehr poetisch und gar nicht kitschig im Schlussbild, wenn beide Hand in Hand vor ihren riesigen Schattenbildern in eine gemeinsame Zukunft blicken.
Michaela Schabel