An zwei völlig unterschiedlichen Handlungssträngen erzählt Wolfram Lutz „Die lächerliche Finsternis“ der Gegenwart, die erst in der letzten Sequenz zusammenführt. Ist der erste Teil noch ein geradlinig erzählender Monolog, löst sich der zweite Teil in eine figurative Assoziationskette auf. 2015 zum Berliner Theatertreffen eingeladen und als Dramatiker des Jahres gewählt, ist Wolfgang Lutz´ Stück „Die lächerliche Finsternis“ inzwischen zum Experimentierfeld für Regisseure geworden.
Ein Boot auf der Bühne genügt, um das Stück zu verorten. Den Monolog über das Leben eines somalischen Fischers lässt Regisseur Wolfgang Maria Bauer Laura Puscheck mit eindringlicher, freundlicher Schlichtheit erzählen. Schon hier wird man vor allem mit dem Aspekt der Lächerlichkeit konfrontiert. Kann ein Fischer, der keine Fische mehr fangen kann, weil es keine mehr gibt, weil es nicht einmal mehr Wasser gibt, der Pirat wird, Schiffe versenkt und angeklagt wird, noch freundlich sein? Des Fischers Freund, Peter Oberdorf spielt ihn mit weiß gekalktem Gesicht, beschwört, wenn auch reichlich klischeehaft, als stille Expression des indigenen Leids die Finsternis kolonialer Ausbeutung.
Das ist gedanklich nachvollziehbar. Aber sobald die Richter in den weißen Overalls als Soldaten des zweiten Erzählstrangs agieren, beginnt die Inszenierung in ein perkussives Hörspiel abzugleiten, bei dem der Text und auch der im Text thematisierte Wahnsinn verloren geht. Zwei Soldaten (Julian Niedermeier, Joachim Vollrath) sollen einen Oberstleutnant (Jochen Decker) aufspüren, ihn exekutieren, weil er selbst getötet hat. Auf ihrer Reise in den Dschungel werden sie mit dem Wahnsinn militärischen Schlagabtauschs konfrontiert.
Was in Werner Herzogs „Aguirre, Zorn des Gottes“ (1972) und Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“ (1979), beide wie Wolfgang Lutz von Joseph Conrads Novelle „Herz der Finsternis“ (1899) inspiriert, durch filmische Dschungelatmosphäre und schauspielerischen Ausdruck bis ins Mark erschüttert, wird in der Landshuter Inszenierung mit ständiger künstlich produzierter Geräuschkulisse, Schlagzeugvirtuosität und Taschenlampengefummel zum schnell langweilenden Spektakel. Die Ursachen, dass das Experiment nicht funktioniert, sind einfach. Das Publikum auf der gleichen Ebene wie die Schauspieler positioniert kann teilweise weder deren Mimik sehen noch die rhythmisiert gesprochenen, geräuschüberschallten Texte verstehen. Jochen Decker, exzellenter Imitator, Karikaturist und Schlagzeuger weitet seinen Part zur One-Man-Show, wobei selbst Julian Niedermeier kurz einmal aus der Rolle fällt und vergnüglich lacht.
©Peter Litvai
Doch weder Brutalität noch Angst-und Wahnzustände der Soldaten angesichts der immer größer und bedrückender werdenden Schatten militanten Macht und imperialistischen Globalisierung offerieren sich.
Wie es hätte sein können, spürt man, wenn Joachim Vollrath einen Satz in den Raum stellt. „Wer nicht aus Liebe handelt, dem wird das Herz leer.“ Es wären etliche Sätze wert gewesen, sie in ihrer sprachlichen Bitterkeit prägnant zu hören. Schade!
Michaela Schabel