"Kultur macht glücklich"


Eugene Ionescos absurdes Theaterstück „Die kahle Sängerin“ – eine Adaption des Deutschen Theaters von Anita Vulesicas Inszenierung in Graz

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Eugene Ionescos absurdes Theaterstück „Die kahle Sängerin“ – eine Adaption des Deutschen Theaters von Anita Vulesicas Inszenierung in Graz

©Schauspielhaus Graz, Foto: Lex Karely

Eine dunkelrote, wellenförmige Couch dominiert die Bühne, dahinter eine monströse Uhr und eine steile Treppe. Die SchauspielerInnen in aufgebrezelten Kostümen und Frisuren signalisieren schon vor dem ersten Satz die absurde Skurrilität der Situation. Regisseurin Anita Vulesica, Komödienspezialistin, hat…

ein ausgesprochen gutes Händchen, alltägliche Banalität ad absurdum zu führen, Sprachunvermögen in Bewegung umzusetzen. Schrill grotesk vom ersten Moment an, steigert sie Eugene Ionescos Kultstück „Die kahle Sängerin“ zur Lachnummer mit neuer Schlusspointe, versöhnend statt beschimpfend.

Schon bei der Uraufführung 1950, es war Ionescos erstes Theaterstück, wurde es überaus humorvoll rezipiert, obwohl er es als tragisches Anti-Kommunikationsstück konzipiert hatte. Ein Englisch-Kurs nach dem Assimil-Konzept hatte ihn auf die Idee gebracht, ein Stück über eine sinnentleerte Kommunikation zu schreiben. Nach der Methodik der Englischlektionen, über banale Dinge zu sprechen, die man ohnehin schon wusste, entwickelte er eine simple Story, in der die Menschen nur noch aneinander vorbeireden. Mr. und Mrs. Smith artikulieren Belanglosigkeiten, die ihnen gerade einfallen, für die sie sich gegenseitig überhaupt nicht interessieren, was sich durch die Ankunft von Mr. und Mrs. Martin noch multipliziert. Das putzneurotische Dienstmädchen kurvt immer wieder vorbei. Ein Feuerwehrmann kreuzt auf und fragt, ob es nicht brenne. Ja, es brennt an Banalitäten und sie werden nicht gelöscht, sondern durch seine stupiden Witze immer stärker entfacht, bis sich die Beschimpfungen in einem bizarren akustischen Vokale-Konsonanten-Kauderwelsch auflösen, der Vorhang fällt und das Spiel noch einmal mit Mr. und Mrs. Martin beginnt.

Und wo bleibt der Bezug zum Titel? Der ergab sich aus einem banalen Versprecher eines Schauspielers, der als Feuerwehrhauptmann improvisierend nach der kahlen Sängerin fragte und nach einer peinlichen Pause die unsinnige Antwort bekam, sie habe immer noch dieselbe Frisur.

„Die kahle Sängerin“ wurde zum Kultstück des absurden Theaters, Ionesco weltweit bekannt und Regisseurin Vulesica beweist, dass das Theaterstück immer noch zündet. Unter ihrer Regie spitzt das Ensemble den Text ausgesprochen kurzweilig und grotesk zu. Mrs. Smith monologisiert endlos, entzückt über die eigene Aura und emsig einen Fleck in Brusthöhe mit Spucke wegreibend. Mr. Smith niest zustimmend. Der Stundenzeiger der Uhr rast geräuschvoll weiter. Zeit vergeht, nichts geschieht. Aus den Banalitäten und dem daraus folgenden Um-die-Wette-schweigen erlöst die Ankunft von Mr. und Mrs. Martin, als weitere Steigerungsstufe der Feuerwehrmann. Slapstickartige Szenen sorgen für Unterhaltung. Wie ein Tiger umkreist das Dienstmädchen schweigend immer öfter die Gesprächsrunde, zuerst mit symbolischem Staubwedel und Putzutensilien, dann mit immer schwereren Geschützen, ohne sie tatsächlich einzusetzen, außer sich selbst mit dem Beil den Bart abzurasieren. Stattdessen schiebt sie ein Klavier auf die Bühne und stimmt spielend und singend in den kakophonischen Gesang ein, den Regisseurin Vulesica in eine fröhliche I-Love-You-Performance verwandelt, inspiriert, wie sie sagt, von „Ionescos großer Sehnsucht nach dem Paradies“.

Theaterkritik von Eugene Ionesco "Die kahle Sängerin" im Deutschen Theater Berlin als eine Adaption vom Schauspielhaus Graz präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Schauspielhaus Graz, Foto: Lex Karely

Damit zählt die Inszenierung zu den unterhaltsamen Varianten des Kultstücks, verliert aber seine sprachkritische Intention und bleibt als gut gemachte, nostalgisch boulevardeske Farce in Erinnerung.

Das Publikum ist begeistert von Spiel, mehr noch von der Botschaft, kein Wunder angesichts der derzeitigen gesellschafts-politischen Situation, wo es so gar nichts zum Lachen gibt.

Künstlerisches Team: Anita Vulesica (Regie) Henrieke Engel (Bühne), Janina Brinkmann (Kostüme), Camill Jammal (Musik), Mirjam Klebel (Choreographie), Kristina Jedelsky (Licht), Karla Mäder (Dramaturgie)

Mit: Beatrice Frey (Mrs. Smith), Moritz Grove (Mr. Smith), Evamaria Salcher (Mrs.. Martin), Frieder Langenberger (Mr. Martin), Katrija Lehmann (Dienstmädchen), Raphael Muff (Feuerwehrhauptmann)