©Arno Declair
Aus Jelineks komplexen Monolog macht er ein facettenreiches Theaterspektakel, das als eine der bedeutendsten Inszenierungen zum Berliner Theatertreffen 2018 eingeladen wurde.
Der Spielplan 2017/18 stand bereits, als sich Elfriede Jelinek doch noch entschloss ihr neues Stücke „Am Königsweg“ für die Uraufführung am Deutschen Schauspielhaus Hamburg freizugeben. Regisseur Falk Richter hatte die große Aufgabe aus einem 100 Seiten langen Text ohne jegliche Regieanweisung und Personenzuordnung in ein Bühnenstück zu verwandeln. Sein Anspruch war, das wuchtige Textkonglomerat so in Szene zu setzen, dass das Publikum einen roten Faden erkennen konnte.
Das ist bei Richter eindeutig der aktuelle Bezug zu Trump, auch wenn er nie beim Namen genannt wird. Jelinek reiht Trump „Am Königsweg“ in die Reihe der Mächtigen ein, schafft den Bogen vom Ödipus-Mythos in die Twitter-Oberflächlichkeit und reflektiert „Von wem will ich überhaupt sprechen?“.
Für sie ist Trump, obwohl demokratisch gewählt, nichts anderes als die Fortsetzung seiner historischen Vorgänger. Ihr komplexer Monolog wird zum Abgesang unserer Kulturgeschichte und endet in der Sprachlosigkeit, so Jelineks deprimierenden Lebensresümees. Die Herrscher nehmen dem Volks auch noch den Sinn der Worte.
Falk Richter entwickelt zusammen mit dem Ensemble, Katrin Hofmann (Bühne) und Andy Besuch (Kostüme) ein gigantisches Theaterspektakel als epochenübergreifende Unterhaltungsshow mit karikierendem Tiefgang. Säulenrelikte verweisen auf die Wurzeln in der Antike. Der blinde Ödipus wird zum facettenreichen Leitmotiv der Inszenierung, als Herrscher, der sein Volk nicht mehr sehen will, und umgekehrt das Volk als TV-Talkrunde mit blutigen Augenbinden, geblendet und blind, das nichts mehr erkennen kann.
Was macht der König? Großartig von Benny Claessens gespielt, führt er sich auf wie ein Superstar in einem Kitschmusical auf, das, umhüpft und umquasselt von Frosch Kermet und Miss Piggy zwischen Muppetshow und Märchenfarce oszilliert. Der König malträtiert die Plastikerdkugel und frönt nebenbei den Lebensgenüssen.
Mit Soloshows und Songs peppt Frank Richter Jelineks sperrigen Text zur knallbunt überdrehten Popshow auf. Das glitzert und funkelt durch die Kostüme, die schauspielerische Exzentrik, den Sprachwitz und die geistige Brillanz Jelineks. Tilman Strauß macht als Banker und als ostdeutscher Prolet das Spannungsfeld der Finanzkrise sichtbar. Matti Krause weitet das „Erscheinen des kleinen weißen Mannes“ in Ku-Klux-Clan-Optik zum inquisitorischen Missionsalptraum der katholischen Kirche. Im Hintergrund leuchtet simultan in den Videos die europäische Kulturgeschichte auf und wird vom blinden Ödipus eines imperialen Historienfilms plakativ verdrängt.
Frank Richter erweitert den Text durch Jdil Baydars türkische Comedian- Kunstfigur Jilet Ayse, mit deren Anti-Integrationsparolen sie Trumpsche Klischee-und Hauruck-Politik auf deutscher Ebene spiegelt.
So entsteht eine Nummernrevue mit ähnlichen Kompositionsdetails. Um grandiose Requisiten, bombastische Throne, heroische Pferdeskulptur, stylischen Wohnwagen, Kreuzinstallation werden die Mächtigen quer durch die Geschichte „Am Königsweg“ zu den Herrschern ihrer Show. Ihre Perspektive ist absolutistisch. Im Hintergrund lauert auf einem Podest der Tiger, dessen Augen sich blutlüstern röten.
„Was ist los mit euch?“ Hinterfragungen bleiben unbeantwortet, verschallen in Songs, werden von der bunten Optik weggefunkelt und verdichten sich dennoch simultan durch die Militanz der Videos. Imgrunde weiß „Keiner weiß, wer was ist.“ Die Masse Mensch wird überflüssig, zum Abgrund geführt, indem man ihr Besitz und die Würde durch Arbeit nimmt, sogar die Bedeutung der Sprache und damit die Geborgenheit in irgendeiner Wahrheit.
Dazwischen erdet die blinde Seherin, das Alter Ego Elfriede Jelineks das klamaukige Spiel in weltpessimistischer Endzeitstimmung. Nicht blind, aber wissend präsentiert Ilse Ritter diese Frage durch ihre großartige Ausstrahlung und Stimme als Grand Dame der Weltgeschichte. Mit all den Nichtigkeiten des Weltgeschehens hat sie längst abgeschlossen. Sie klagt „Jetzt gehen uns auch noch die Wort aus“ und entschuldigt sich. „Bitte seien sie mir nicht böse und hören sie nicht auf mich.“
„Am Königsweg“ endet, wie das Spiel begann. Der Mensch, vom Leben gebeutelt, geschüttelt, zuckt in tänzerischer Agonie (Frank Willens) zur Elekromusik als Amokopfer der Mächtigen zusammen.
Michaela Schabel
Regie: Falk Richter
Bühne: Katrin Hofmann
Kostüme: Andy Besuch
Komposition und Musik: Matthias Grübel
Video: Michel Auder, Meika Dresenkamp
Licht: Carsten Sander
Dramaturgie: Rita Thiele
Schauspieler: Idil Baydar, Benny Claessens, Matti Krause , Anne Müller, Ilse Ritter, Tilman Strauß, Julia Wieninger, Frank Willens