Berliner Theatertreffen – „Einfach das Ende der Welt“ Inszenierung von Christopher Rüping nach dem Roman Jean-Luc Lagarce 

Berliner Theatertreffen "Einfach das Ende der Welt" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Diana Pfammatter

Benjamin wird nicht mehr lange leben. Deshalb will er noch einmal nach Hause, sich erinnern, sich verstanden wissen. Mit der Kamera schweift er voyeuristisch durch die kleinteilige Wohnung, die detailgetreu von den Nippes am Fenster, die Kosmetika im Bad bis in den Kühlschrank rekonstruiert wurde. Die Dinge wecken Erinnerungen, doch sie bleiben durch die Kamera distanziert. In Benjamin scheinen keine Emotionen wachzuwerden, ganz im Gegenteil. Der Live-Drummer schlägt harte Beats und wird durch Überblendungen sichtbar zum Alter Ego von Benjamins Psyche. 25 Minuten lang macht sich in der Szene genau die Langeweile breit, wegen der Benjamin nicht zuletzt sein Elternhaus verlassen hat. 

Nach einer Pause, um die Bühne leer zu machen, erfolgt der große Schlagabtausch mit Schwester, Bruder, Schwägerin und Mutter. Jede Annäherung führt zu Missverständnissen, schrillen überzogenen Reaktionen.

Berliner Theatertreffen "Einfach das Ende der Welt" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Diana Pfammatter

Zu stark sind die Bilder über die anderen im Hirn verankert. Jeder zelebriert sein Ego, seine subjektiven Verletzungen und leidet am anderen, allen voran Benjamin, dessen Anderssein als Homosexueller letztendlich der Konfliktherd in der Familie ist.

Berliner Theatertreffen "Einfach das Ende der Welt" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Diana Pfammatter

Er fühlt sich ausgegrenzt, ungeliebt, unerwünscht und denkt die anderen immer noch genau so, wie er sie im Kopf hat. Als er für einen Moment im Gespräch mit der Mutter sentimental wird und sie mit mütterlichen Kleinkindertröstungen reagiert, explodiert er, performt und karikiert mit Schnulzenmusik die Situation. Für die anderen „ist es schlimm, dass er wieder da ist“. Er bringt tatsächlich alles zum Einstürzen, auch wenn sich die Schwägerin noch so um eine Heile-Welt-Aura bemüht und die Schwester immer noch so gern Benjamins Welt kennen lernen möchte. Die Mutter, mehr noch der Bruder halten dagegen. Auch der bevorstehende Tod gibt nicht das Recht „sich so aufzuführen“. Er lehnt die späte Entschuldigung Benjamins rigoros ab. 

Christopher Rüping pointiert auf die Prozesse des Erinnerns und Wiederanknüpfens, lässt die Schauspieler unter ihrem eigenen Namen spielen und gibt ihnen Raum für eruptives Spiel, woraus sich trotz aller Ausgestelltheit und schriller Tonlagen sehr authentische Momente in den Schräglagen zwischenmenschlicher Beziehungen ergeben. Dunkelrot färbt sich die Bühne symbolisch für die große Sehnsucht nach Liebe, die  durch Wortgefechte niedergewalzt wird. Die Inszenierung macht betroffen, weil sie wie unter einem Vergrößerungsglas das Gefängnis des eigenen Ego spiegelt. 

Auf der Bühne: Maja Beckmann, Nils Kahnwald, Ulrike Krumbiegel, Benjamin Lillie, Wiebke Mollenhauer, Matze Pröllochs.

Hinter der Bühne Christopher Rüping (Regie),  Jonathan Mertz (Bühne),  Lene Schwind (Kostüme), Matze Pröllochs (Musik), Frank Bittermann (Licht), Katinka Deecke, Malte Ubenauf (Dramaturgie)