©Joey Moro
Ohne viel Action spielt Dael Orlandersmith diese Figuren, oft sitzend, mal stehend, etwas rappend oder als Frisör den Boden fegend. Die Bühne ist bis auf zwei Stühle und Tisch leer und entwickelt durch eine Stehlampe die intime Atmosphäre eines Wohnraums. Üppig umrahmt von kleinen Erinnerungsgeschenken verankert sich das Szenario gleichzeitig als Mahnmal des Gedenkens im Bewusstsein.
Mit ihrer expressiven Mimik und Gestik, ihrer klaren Artikulation und den Facetten ihres Blicks stellt Dael Orlandersmith ganz konträre Figuren und deren Argumentationen gegenüber. Jede Figur, ob schwarz oder weiß, alt oder jung hat auf ihre Weise recht und vermittelt einen Standpunkt, den man nachvollziehen kann, woraus sich das breite Spektrum der US-amerikanischen Gesellschaft entfaltet.
©Joey Moro
Als 70-jährige schwarze Lehrerin in Ruhestand erinnert sie sich an die strikte Rassentrennung in ihrer Jugend und das stille, stumme Ertragen des Rassismus der Eltern, die sich an die Regel hielten, dass Schwarze nach Sonnenuntergang das eigene Haus nicht verlassen durften. Ihre Quintessenz dazu ist, dass Rassismus dazu führt, „sich als N#### zu fühlen“ und sozialen Aufstieg stoppt. Der 75-jährige Polizist fühlt sich als Weißer nicht per se als etwas Besseres. Er erlebte den sozialen Abschaum von Weißen und Schwarzen und „der muss weggespült werden“, aber „ich prüfe immer meine Seele.“ Das Problem ist, dass sich ein Mensch, der nichts mehr zu verlieren hat, schnell für eine Sache benutzen lässt. Ein schwarzer Schüler träumt vom besseren Leben, er will raus aus dem Milieu. „Tu es!“ ist seine Losung. Doch so einfach ist das nicht. Auf der Projektionswand knallen Schüsse und eine rote Explosionswolke hellt einen Moment lang die Bühne auf. Die 35-jährige Hochschullehrerin öffnet den Blick auf weiße Frauen. Auch sie werden von weißen Männern misshandelt. Der schwarze Frisör wehrt sich gegen das Helfersyndrom zweier junger, naiver Journalistinnen. „Jeder sollte das bekommen, was er verdient.“ Man ist durch die Hautfarbe nicht weniger intelligent als andere. Wer Gewalt in der Kindheit erfuhr, sich hoch boxen musste, gibt Gewalt auch in der nächsten Generation weiter. Dieses Sozialisiserungsmodell vermittelt Dael Orlandersmith als weißer Elektriker. Er zwingt seinen Sohn, die schwarzen Kids, die ihn ärgern, niederzuboxen. Flankiert von Erinnerungen an die Judenerschießung aus dem Film „Schindlers Liste“ weiten sich die schrecklichen Konsequenzen von Rassismus zum Massenmord. Im Gegenzug beweist ein Student, dass man dem Milieu schwarzer Sozialwohnungen, die wie Gefängnisse wirken, durchaus entkommen kann. Die Pfarrerin spricht davon, dass es unabhänging von der Hautfarbe überall „gentle men“ gibt. Sie fühlt mit Brown und mit Wilson, betet für beide.
Dieses Verständnis für beide Seiten ist die Qualität dieses Theaterbeitrags beim Festival Internationale Neue Dramatik. Nicht die Polarisierung, sondern warum Aggressionen in zwischenmenschliche Beziehungen plötzliche explodieren steht im Vordergrund. „Until the Flood“ von und mit Dael Orlandersmith geht gerade wegen ihrer unaufgeregten Art doch sehr unter die Haut.