Berlin – „Theatertreffen 2023“ unter neuer Intendanz

Matthias Pees. Intendant der Berliner Festspiele © Marlena Waldthausen

Matthias Pees, neuer Intendant der Berliner Festspiele©Marlena Waldthausen

Matthias Pees will das Programm internationalisieren. Die Beschränkung auf den deutschsprachigen Raum findet er nicht mehr zeitgemäß, das würde allerdings das Festival in seiner Funktion die Highlights der deutschsprachigen Inszenierungen zu zeigen unterminieren und die Auswahl aus 60 eingereichten Produktionen durch eine professionelle Jury aushebeln. Außerdem ist die Idee so neu nicht. Längst präsentiert das „Festival internationaler Dramatik“ an der Berliner Schaubühne jedes Jahr interessante Inszenierungen.

Das Programm 2023 des Berliner Theatertreffens wirkt trotz der Beschränkung auf den deutschsprachigen Raum durchaus interessant und im Gegensatz zum vergangenen Jahr sehr vielseitig, Die Liste der zehn ausgewählten Stücke lassen mehr Neugier und Freude aufkommen…

Berlin, München, Bochum und Wien stechen dieses Jahr mit jeweils zwei Einladungen besonders hervor. Gesellschaftliche Bruchlinien zwischen Generationskonflikt und Individualismus, Darstellungsformen nicht darstellbaren Grauens wie der Holocaust, mitreißende Inszenierungen von Klassikern, spannende Romandramatisierungen und eine Transformation ins musikalische Genre erwarten die Besucher als Best-of.

Berlin

  • „Der Einzige und sein Eigentum“, Musiktheater von Sebastian Hartmann und PC Nackt nach Max Stirner, Deutsches Theater Berlin, Regie und Bühne Sebastian Hartmann
  • „Ophelia’s Got Talent“, eine Produktion der Volksbühne in Koproduktion mit Productiehuis Theater Rotterdam, Tanzquartier Wien, Arsenic Lausanne, Asphalt Festival, Gessnerallee Zürich, Kampnagel Internationales Sommerfestival und DE SINGEL Antwerpen von Florentina Holzinger, Konzept und Regie Florentina Holzinger

München

  • „Das Vermächtnis Teil 1 und Teil 2“ frei nach dem Roman von E.M. Forsters „Howards End“, Residenztheater München, Regie und Bühne Philip Stöckl
  • „Nora“, nicht nur Ibsens Nora, sondern kombiniert mit deren Spiegelung in „Freiheit der Frauen“ nach der Dramatisierung des Romans von Édouard Louis, Münchner Kammerspiele, Regie Felicitas Brucker

Wien

  • „Zwiegespräch“ von Peter Handke, Regie Rieke Süßkow, Burgtheater Wien
  • „Die Eingeborenen von Maria Blut“, nach einem Roman von Maria Lazar, Regie Lucia Bihler, Akademietheater Wien

Bochum

  • „Der Bus nach Dachau – Ein 21st Century Erinnerungsstück“ von De Warme Winkel und Ensemble, Schauspielhaus Bochum in Kooperation mit dem Internationaal Theater Amsterdam, Regie Vincent Rietveld, Ward Weemhoff (De Warme Winkel)
  • Maxim Gorkis „Kinder der Sonne“, Regie Mateja Koležnik

Basel

  • „Ein Sommernachtstraum“ von Shakespeare, Theater Basel, Regie Antú Romero Nunes

Dessau

  • „Hamlet“ von Shakespeare in einer Fassung von Philipp Preuss unter Verwendung der Übersetzung von Marius von Mayenburg, Anhaltisches Theater Dessau, Regie Philipp Preuss

Wie weit die zu den zehn Theateraufführungen angebotenen „10 Treffen“ als neue Resonanzräume auf europäischer Ebene tatsächlich neue Erkenntnisse bringen oder das neue Format nur den Sponsoren, der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb und dem Goethe-Institut geschuldet sind, ist noch abzuwarten.

Die Labels Responsibility, Solidarity über Diversity und Grün bis Emptiness und Network Treffen lassen kein aktuelles Thema aus und decouvrieren sich bereits in den Untertiteln und Zielbeschreibungen eher als Satire. Das Festival hat diese Diskussionsrunden als vermeintliche Entwicklung nicht nötig. Damit beschäftigen sich die Regisseure und die Ensembles vor Ort intensiv. Die Inzsenierungen provozieren zum Nachdenken, nicht das Endlosgeplapper in drögen Diskussionsrunden.