Berlin – „Malina“, Ingeborg Bachmanns Roman in der Bühnenfassung von Regisseurin Fritzi Wartenberg im Berliner Ensemble als spannendes Psychogramm

Theaterkritik "Malina" am Berliner Ensemble präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Berliner Ensemble, Foto: Jörg Brüggemann

Die drei Wandplatten, auf denen die drei Versionen Malinas ganz vertieft schreiben, während die Zuschauer Platz nehmen, verschieben sich und eröffnen den Blick in einen abgedunkelten Wohnraum mit Schreibtisch und Sitzgruppe, großer Spiegelfläche und Mikrofonen für optische und akustische Effekte. Malina, das Alter Ego Ingeborg Bachmanns, blickt kritisch auf ihr Leben. Lieben zu wollen in einer Welt, die kein Wir kennt, wird zu ihrem Trauma. Ein riesiger Telefonhörer mutiert symbolisch zur Schaukel ihrer Gefühle zwischen himmelhochjauchzend und Absturz, je nachdem wie die Gespräche mit Ivan verlaufen. In der Rezeptionsgeschichte gilt „Malina“ als Aufarbeitung von Ingeborg Bachmanns gescheiterter Beziehung zu Max Frisch und als Antwort auf dessen Roman „Mein Name sei Gantenbein“. Deutlich kristallisiert die Bühnenfassung a là Sartre, dass die Hölle immer die anderen sind. Durch den Blick und die Taxierung der anderen verliert Malina alias Ingeborg Bachmann immer mehr den Boden unter den Füßen. 

„Malina“ beginnt mit einer Liebesbeziehung. Zwischen zwei Männern findet sie nicht das Echo, das sie sucht. Ivan scheint nach einer Enttäuschung die Lösung zu sein, ist er aber nicht, denn er „muss gar nichts, er „kann“ tun, was er will. Mit seiner Ignoranz setzt er sie unter Strom. Jeder Anruf löst Euphorie aus und endet in der Erkenntnis unüberwindlichen Fremdseins.

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©Berliner Ensemble, Foto: Jörg Brüggemann

Immer mehr rutscht Malina in die Rolle der Außenseiterin, die sich hinter ihrem literarischen Schaffen verschanzt und in Worte fassen will, was ihr das Leben verweigert. „Hier stirbt man nicht, man wird ermordet“ durch die Außenwahrnehmung wird zum Leitmotiv.

Sehr gekonnt entwickelt Fritzi Wartenberg aus dem Zusammenspiel verschiedener Lebensphasen diesen dramatischen Bachmann-Kosmos. Constanze Becker gibt Einblick in Malinas Beziehung zu Ivan. Wenn sie mit ihm Schach spielt und Wein trinkt, ist sie glücklich. Doch die Schachfiguren an der Wand und deformierte Schachmuster am Boden künden vom Gegenteil. Sie erträgt es nicht, wenn er keine Zeit für sie hat und sich der Telefonhörer wie Metall anfühlt. Ein Buch will sie schreiben in der Hoffnung auf einen guten Schluss. Ein „Exultate, jubilate“ suggeriert Maeve Metalka, Malinas jüngeres verführerisches und poetisches Ego voller Tatendrang und Unerschrockenheit, verdichtet durch ihre Live-Songs. Josefin Platt, die Älteste des Trios beobachtet und kommentiert abgeklärt den Absturz Malinas, der in albtraumartiger Erinnerung an den Vater in einem surrealen Opernauftritt eskaliert.

Durch sprunghafte Spielwechsel, Hall-Effekte. flirrenden Hintergrundsound, abgründige Beleuchtung und Spiegelungen entwickelt sich ein spannendes Psychogramm einer in sich zerrissenen Frau, die völlig abhängig von der Liebe eines Mannes ist. „Solange ich Ivan habe und er mich, bin ich am Leben.“ Der Stellenwert der Liebe weitet sich zur moralischen Conclusio. Wenn Malina „nicht glücklich ist, wird sie auch nichts Gutes tun können.“ 

Künstlerisches Team: Fritzi Wartenberg (Bühnenfassung, Regie), Janina Kuhlmann (Bühne), Elena Scheicher (Kostüme), David Rimsky-Korsakow (Musik), Mario Seeger (Licht), Johannes Nölting (Dramaturgie) 

Mit: Constanze Becker, Maeve Metelka, Josefin Platt