Berlin – „It´s Britney, Bitch“ am Berliner Ensemble – das bittere Leben der Princess of Pop  

Theaterkritik "It´s Britney, Bitch" am Berliner Ensemble präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Berliner Ensemble, Foto: Sina Martens

Die Wirklichkeit hat zwar die theatrale Wahrheitssuche überholt, 2021 wurde Britney Spears per Gericht von der 13-jährigen Vormundschaft ihres Vaters befreit, doch die Inszenierung (2022) hat nichts von ihrer Kraft eingebüßt, zeigt Britneys Ausbeutung und Vermarktung durch die eigene Familie und bringt Pop, immer nur als oberflächliches Unterhaltungsgenre eintaxiert, als kritisch reflektierendes Monologstück ins Theater. Die Vorstellungen sind immer noch einen Monat im Vorfeld ausverkauft. 

Die Thematik interessiert. Was Britney Spears vor Millionen von Zuschauern erleben musste, spiegelt immer noch das traditionelle Denken über Frauen als Sexobjekt. Selbst die 2012 mit 58 Millionen US-Dollar laut Forbes bestbezahlte Frau im Musikgeschäft hatte sich den männlichen Anordnungen voll zu fügen. 

In einer kleinen würfelförmigen Guckkastenbühne erscheint Sina Martens als verblüffend ähnliches Abziehbild von Britney Spears. Aus der Perspektive einer 40-jährigen Frau monologisiert sie über ihr Leben. Die kleine Bühnenbox lässt die großen Auftritte in Arenen assoziieren und mutiert gleichzeitig zur Metapher des Eingeengtseins durch die Vormundschaft ihres Vaters. „Ich habe viel zu sagen“, schreit diese Britney Spears in den Zuschauerraum, „ich war dabei!“

Zunächst im schwarzen Outfit sehr sexy, immer noch eine Lolita-Pop-Ikone im glitzernden Bühnenambiente räsoniert Sina Martens als Britney Spears weniger vom Erfolg als von den Schattenseiten dieser Karriere. Ihr Song „I was born to be happy“ bewahrheitete sich nicht. Nichts als Lügen waren ihre Glücksbeteuerungen. Entlang einer sehr sprunghaften Textcollage, entwickelt von vier AutorInnen, enthüllt sie die inneren Frustrationen dieser Pop- und Stilikone, die von einer Generation von Mädchen und Frauen nachgeahmt wurde, bestätigt von Männern, die wollten, dass ihre Freundinnen wie Britney Spears aussahen. 

Hinter der lustvollen Performance offeriert sich auf der Theaterbühne der angestaute Kummer einer Frau, die nur als Objekt und Projektionsfläche wahrgenommen wurde, die sich emotional auf der Bühne verausgabte, ohne das, was sie sich wünschte zurückzubekommen, was sie über Sex, Drogen und Gewaltausbrüche kompensierte. „Ich habe mich wundgeliebt an der Welt. Nie verlangt zurück geliebt zu werden.“

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  ©Berliner Ensemble, Foto: Sina Martens

Ihr Vater wurde zum Gefängnishüter, fasste sie zwar nie an, beutete sie aber mental und ökonomisch aus, zwang sie trotz völliger Erschöpfung den Vertrag zu unterschreiben 200 Mal in Las Vegas aufzutreten und unterband sogar ihre dritte Schwangerschaft. 

Sina Martens singt und performt eine sehr authentisch One-Woman-Show. Durch traurige Britney-Songs, für die Inszenierung bearbeitet von Friederike Bernhardt, und raffinierte Lichteffekte gelingen Pop-Konzert-Szenarien, die sich auf der Theaterbühne durch die monologischen Offenbarungen zwischen mädchenhafter Verletztlichkeit und selbstzerstörerischer Wut zu biografisch psychologischen Spiegelungen verdichten. Diese Britney verharmlost nicht, spricht offen über ihren Drogenkonsum und ihre Liebesaffären, rückt Fakten sachlich zurecht, die die Medien sensationssüchtig einseitig darstellten. 

In einem brutalen Rundumschlag bringt Sina Martens die Guckkastenbühne zum Einsturz und erscheint darunter kahl, ein Schock, der die Verurteilung „It´s, Britney, Bitch“ neu reflektieren lässt. 

Künstlerisches Team: Laura Dabelstein, Miriam Davoudvandi und Fikri Ansl Altıntaş, Lena Brasch (Texte), Lena Brasch (Regie), Janina Kuhlmann (Bühne), Friederike Bernhardt (Musik), Maria Bergner (Licht), Karolin Trachte (Dramaturgie), Mascha Kurth (Maske)

Mit: Sina Martens (Britney Spears)  

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