Berlin – „Clockwork Orange“ im Berliner Ensemble als Spektakel

Theaterkritk "Clockwork Orange" im Berliner Ensemble präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Jörg Brüggemann

Perspektivlos ziehen Alex und seine Drooges von der Milchbar aus durch das urbane Umfeld und malträtieren entlang Kubricks Roman behinderte, alte, wehrlose Menschen. Weil Alex sich immer mehr als Anführer aufspielt, hindern ihn seine Kumpane bei einer Straftat an der Flucht. Er landet im Gefängnis und bekommt wegen guter Führung die Chance einer Gehirnwäsche, womit der Staat das soziale Problem ansteigender Kriminalität lösen will, ohne sich um die Menschen zu kümmern. Allein der Gedanke an Aggression löst bei Alex Brechreiz aus. Er wird sich seiner manipulierten Unfreiheit bewusst und erkennt, dass das Zulassen des Bösen als individuelle Entscheidung ein Merkmal der Freiheit ist.  

Johannes Nölting weitet bei seiner Bühnenversion Anthony Burgess‘ Perspektive der Ich-Erzählung auf die Gang. Mit fünf SchauspielerInnen in neofarben leuchtenden Overalls mit aufgeplusterten Ärmeln, bizarren Narrenkappen mit extrem langen Lauschern und aufgemalter, verschmierter Jokermimik wird sie zur schrillen Comicgruppe, die gleichzeitig im fliegenden Wechsel, vom Licht in Alltagsgrau getaucht, die Opfer und Vertreter von Recht und Ordnung spielt. Große Gummireifen markieren spielerisch und bedrohlich zugleich das soziale Ambiente, Innen- und Außenräume, Mauern, Gefängnis und Folterzellen.

Theaterkritk "Clockwork Orange" im Berliner Ensemble präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Jörg Brüggemann

Schreiend,  Basiswörter im Underdog-Slang Nadsat aggressiv wiederholend, im Chor skandierend, singend a-capella marschieren die fünf Bösewichte immer wieder eng aneinander gedrängt gegen die Drehrichtung der Theaterbühne, sprich der gesellschaftlichen Normen. Sie quälen, vergewaltigen, töten wehrlose Menschen bar jeglichen Gefühls, sehr dynamisch und voller Spielfreude von den fortgeschrittenen SchauspielerInnen der Ernst-Busch-Schauspielschule auf der Bühne umgesetzt und durch stroboskopbeleuchtete Szenen dynamisiert.

Die im Audio-Guide der Webseite des Berliner Ensembles als „sehr bunte, musikalische Produktion“ angekündigt mutiert allerdings auf der Bühne zur simplen Coming-Up-Geschichte. Gesellschaftliche Kontexte, philosophische Fragestellungen, die die tiefgründige Qualität des Romans ausmachen, bleiben weitgehend ausgespart.  

„Clockwork Orange“ wurde zwar im letzten Jahr als eine der zehn besten Inszenierungen für den Friedrich-Luft-Preis nominiert, aber es gibt wesentlich packendere Umsetzungen.

Künstlerisches Team: Tilo Nest (Regie), Bernhard Siegl (Bühne), Esther von der Decken (Kostüme), Michael Haves (Musik), Benjamin Schwigon, Rainer Casper (Licht), Johannes Nölting (Dramaturgie) 

Mit: Marc Benner, Anna Köllner, Maeve Metelka, Leonard Pfeiffer und Laura Talenti 

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