©Camille Blake
Isadora Duncan (1877 bis 1927) gilt als erste Tänzerin, die die Freiheit des Tanzens auslotete und damit den Tanz von der strengen Gängelung des Balletts mit einem neuen Körper- und Bewegungsgefühl, das sich am griechischen Schönheitsideal orientierte, befreite. Sie gilt als die Wegbereiterin des modernen sinfonischen Ausdruckstanzes. Es ging ihr nicht um Artistik und tänzerische Schwerelosigkeit, sondern allein darum Gefühle auszudrücken.
©Arnold Genthe
Der renommierte Choreograf Jérôme Bel setzt mit „Isadora Duncan“, einem Solostück für die Tänzerin und Lehrerin Elizabeth Schwartz, seine Porträts, die er 2004 begann, fort und orientiert sich dabei an Isadora Duncans Autobiografie „My Life.“ Es geht ihm nicht um atmosphärische Illusionen, vielmehr will er zeigen, wie Tanz entsteht. Seine Assistentin Sheila Atala fungiert als Erzählerin. Mit angenehmer Stimme erzählt sie die wichtigsten Lebensstationen von Isadora Duncan, ihrer Kindheit, ihren Ehen, Reisen und Schicksalsschlägen, die Isadora in ihren Tänzen verarbeitete.
Das ist tanzhistorisch alles durchaus sehr interessant, bewunderungswürdig und sehr authentisch getanzt, denn Elizabeth Schwartz hat diesen Tanzstil von Isadora Duncans Adoptivtöchtern gelernt und steht mit 69 Jahren sicher auf der Bühne. Ihre Bewegungen sind sehr fließend und ausdrucksstark.
©Camille Blake
Mit Chopins Prelude Nr. 7 vermittelt sie Isadora Duncans „Musical Moments“ , bei der „Water Study“ nach einem Schubert-Walzer deren Begeisterung für die Natur. Als ihre beiden Kinder bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen, vertanzte sie ihr Leid in „Mother“. In Moskau wird Isadora zur Revolutionärin, doch gerade bei diesem Tanz lotet Isadora Duncan, auch wenn Elizabeth Schwartz die Choreografie sehr emotional tanzt, die Möglichkeiten der temperamentvollen Kompostion Skrijabins kaum aus.
Die Crux dieser Uraufführung ist das Tanz-Lesson-Prinzip, auf dem Jérôme Bel beharrt. Elizabeth Schwartz tanzt eine Choreografie Isadora Duncans zur entsprechenden Musik dann nochmals ohne Musik, während Sheila Atala die Bewegungsnamen in Englisch erklärt, die in Deutsch in der Übertitelungsanlage mitzulesen sind. Dann gibt es noch einmal eine Runde mit Musik. Das erklärt zwar vieles, nimmt aber den Tänzen die Aura und beginnt durch die konzeptionelle Monotonie zu langweilen.
Umso mehr fällt auf, wie reduziert und schlicht Isadora Duncans Bewegungselemente und choreografische Ideen aus heutiger Sicht wirken. Die Tänze funktionieren mehr oder weniger immer nach demselben Prinzip. Ein paar Schritte vorwärts, rückwärts in diagonale Richtungen, dazwischen ein Hoch und Tief des Körpers, einige Schrittdrehungen und immer wieder dieselben expressiven Armbewegungen. Man schmunzelt schon, wenn der Handgelenksschlag wieder zum Einsatz kommt.
Dass dann noch zwölf Freiwillige aus den Publikumsreihen eine Probeunterrichtssequenz mit mehreren Übungsschlaufen tanzen, hebt zwar die Freude Isadora Duncans am Unterrichten hervor, die ihr immer wichtiger gewesen ist als das Tanzen selbst, zeigt aber auch, wie intensiv sich Tanz inzwischen weiterentwickelt hat.
Die Tanz-Lesson „Isadora Duncan“ bildet, aber sie begeistert nicht wirklich. Durch diese Anhäufung von Retrospektiven, zuerst Deborah Hay, dann Isadora Duncan will das diesjährige Berliner Tanzfestival nicht so recht funken. So mancher Tanzfan verliert die Neugier auf weitere Vorstellungen.