Vom Breitscheidplatz bis zum Halensee erstrahlt der Kudamm als 4,5 Kilometer langes Lichtermeer. Schon Anfang August beginnen die Installationen, bis Ende Ende dauert der Abbau. Zehn Millionen Lichtpunkte auf 570 Bäumen und über 60 weihnachtlichen Motiven verwandeln Kudamm, Tauentzienstraße und einige Nebenstraßen im Dezember von 16 bis 24 Uhr in ein Weihnachtsmärchen. Merry Christmas lässt die Kassen am Kudamm klingeln, weshalb das Bezirksmanagement City West über die Wall AG dieses Lichtkonzept vor 14 Jahren entwickelte und ständig erweitert.
Dagegen hat der Karnvalsumzug keine Chance. Wegen Geldmangels fällt er ein ums andere Jahr aus, kein Wunder in der Stadt ohne jegliche Karnevalskultur. Bestens ins Bild passt dagegen das Oldtimer-Wochenende im Sommer. Dann ist der der schönste Bereichs des Kudamms für chromfunkelnde Edelkarossen gesperrt.
Auf Wunsch Otto von Bismarcks
Ursprünglich als Reitweg für die Herrscher und ihr Gefolge im 16. Jahrhundert angelegt wurde der Kurfürstendamm auf Wunsch Reichkanzlers von Bismarck nach französischem Vorbild in den 53 Meter breiten Boulevard umgewandelt und durch die Eröffnung einer Dampfstraßenbahn vom Zoologischen Garten bis zum Halensee verkehrstechnisch bestens verbunden. Schnell entwickelte sich der Kurfürstendamm als Gegengewicht zur Straße Unter den Linden zur Flaniermeile mit glanzvollen Theatern, Cafés und Geschäfte und wurde der Inbegriff zum Nachtleben der Goldenen 20er Jahren.
Vom Amüsierviertel zur Geschäftsmeile
Im Zweiten Weltkrieg im Bombenhagel der Alliierten teilweise sehr zerstört kreierte man nun sprachlich verkürzt den Kudamm zum Aushängeschild des Westens als die Geschäftsstraße Westberlins. Während der Wende verlor er durch den Fokus auf Berlin Mitte, insbesondere den Potsdamer Platz ein neues übergreifendes Zentrum von Ost und West geschaffen werden sollte. Inzwischen ist der Kudamm 1a-Lage.
Wo der Kudamm am schönsten ist
Der eleganteste Abschnitt des Kudamms, ist immer noch dort, wo schon in Gründerzeit die schönsten Bürgerhäuser gebaut wurden, in deren unteren Etagen sind inzwischen die international renommierten Mode- und Automarken durch ihre Label-Shops Bestlage markieren. Es die Zone zwischen Meineke- und Leibnizstraße. Nur am Apple-Store stehen die Menschen schon eine Stunde vor Geschäftsöffnung Schlange. Ansonsten wirken die Geschäfte edel und leer. Kleine Geschäfte für den täglichen Bedarf gibt es kaum noch. Modeschaufenster, Hotels Boulevardcafés, große Glasvitrinen auf den breiten Trottoirs, das gibt es auch anderswo, nicht aber die Linden. Sie machen das besondere Flair des Kudamms aus.
Wesentlich größer ist die Besucherdichte am Beginn des Kudamms, an der Nahtstelle zur Tauentzienstraße wegen der unmittelbaren Nähe der Wilhelm-Kaiser-Kirche, des Christkindlmarktes am Breitscheidplatz, des Europacenter mit der Weltuhr und der extremen Konzentration preiswerter Modeketten, die teilweise zwei bis drei Mal vertreten sind. Die Masse und die damit verbundene Massenphänomene insbesondere zur Weihnachtszeit nehmen hier dem Boulevard den Charme.
©Michaela Schabel
Weiter stadtauswärts Richtung Westen herrschen, vom Rundbau der Berliner Schaubühne und einigen eigenwilligen Fassaden abgesehen, monotone, heruntergekommene Bauten aus 60er 70er Jahren vor. Hier fehlt dieses Jahr an einer Stelle sogar die Beleuchtung, weil ein Lichtsponsor wegen der dortigen Bauarbeiten absprang.
Und die Zukunft?
Der Trend geht Richtung Skyline. Mit dem 119 hohen Doppelturm der elegant geschwungenen „Upper West“ beginnt in Berlin City West nun CBD-Format im Wolkenkratzerformat unmittelbarer Nähe zur Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Nach extrem kurzer Bauzeit wurde Upper West dieses Jahr eröffnet. 18 Etagen beansprucht Motel-One-Hotelkette mit 582 Zimmer, die restlichen Etagen sind für Büros vorgesehen. der 37 Meter hohe Querriegel direkt am Kudamm bietet neue Ladenflächen. Von der Skybar hat man inzwischen den schönsten Blick auf Charlottenburg. Neue Wolkenkratzer sind zur Nachverdichtung in Planung. Die Charlottenburger gehen auf Konfrontationskurs.
Die Immobilienpreise beginnen nach Münchner Muster zu galoppieren. Man hört viel Russisch und Englisch. Bis 20 Uhr pulsiert das Leben auf dem Kuhdamm. Nach Geschäftsschluss wird es ruhiger. Jetzt kann den Boulevard im Lichterglanz noch mehr genießen. Der Obdachlose unter dem Prada-Schaufenster macht nachdenklich. Hinter dem Schein das Sein.
Michaela Schabel