Passau – Kurzweiliger „Tannhäuser“ bei den Burgenfestspielen Niederbayern

Opernkritik Wagners "Tannhäuser" bei den Burgenfestspielen des Landestheater Niederbayern präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Landestheater Niederbayern, Foto: Peter Litvai

Schon das Bühnenbild überrascht durch expressive Reduktion. Partiturnoten orangerot durchflammt genügen Regisseur Johannes Reitmeier Wagners berühmte Oper über einen suchenden Künstler wtoirkungsvoll ohne aufgesetzte Neuinterpretation in Szene zu setzen. Er macht aus dem komplexen, hochromantischen „Tannhäuser“ der Dresdner Fassung (1847) durch leuchtende Farbsymbolik, präzise Personenregie, dramaturgische Chorpositionierungen und Illustrationen der orchestralen Passagen einen kurzweiligen, atmosphärischen Opernabend. Wagners vielschichtigen Minnesänger Tannhäuser präsentiert Reitmeier als manischen zwischen Hure und Heiliger getriebenen Männertyp auf permanentem Egotrip. Letztendlich benutzt er Venus und die heilige Elisabeth von Thüringen nur als seine Inspirationsquellen. Als die Frauen entschwinden versiegt auch seine Schöpferkraft. 

Schon während der Ouvertüre dirigiert und komponiert der georgische Tenor Zurab Zurabishvili pantomimisch elegant im schwarzen Frack als Tannhäuser am Notenständer, dann am Klavier, umgarnt von Venus, die Reinhild Buchmayer sehr gekonnt und sinnlich als Influencerin in orange-indischer Optik auf die Bühne bringt, wobei sich das Klischee vom Mann im fortgeschrittenen Alter und der Muse aufdrängt. Nahtlos umrahmt vom mächtigen Chor in Zitronengelb zerbricht im ersten Akt das Faszinosum der jugendlichen Erotik an Tannhäusers suchendem Naturell. Er will zurück zu seiner unbefleckten Elisabeth, worauf Venus wie eine Furie ganz irdisch und eifersüchtig explodiert, von Reinhild Buchmayer schauspielerisch und sängerisch fulminant interpretiert. Tannhäuser kehrt in die irdischen Niederungen an der Seite des Hirtenjungen zurück, wobei Emily Fultz im Ministrantengewand durch ihren wunderbar klaren Gesang wie ein Vorbote der reinen Elisabeth erscheint. Mit inbrünstigem, hochdramatischem Stimmvolumen, souverän in den Spitzentönen interpretiert Yitian Luan Elisabeth als Ikone der reinen Liebe, ekstatisch in der Freude, untröstlich über den späteren erneuten Verlust Tannhäusers, denn nicht sie bestimmt über ihr Leben, sondern ihr Vater, der Landgraf. Wer beim Sängerkrieg auf der Wartburg das Motto „Könnt ihr mir die Liebe begründen?“ am besten erklären kann, soll sie zur Frau bekommen. Die kleine Runde der mittelalterlichen Minnesänger verdeutlicht in der Optik von Burschenschaftlern eine wertkonservative, sehr von der Kirche geprägte Einstellung, die null Toleranz kennt. Mit Walther von der Vogelweide (Jeffrey Nardone), Reinmar von Zweter (Albin Ahl), Biterolf (Kyung Chun Kim), Wolfram von Eschenbach (Peter Tilch) und Tannhäuser wirkt dieser Sängerwettbewerb unter der klaren Ansage des Landgrafen von Thüringen, dem Heeyun Chois durch seinem noblen Bass eine natürliche Autorität verleiht, ausgesprochen kurzweilig. Peter Tilch sticht eindeutig durch seinen wunderbar geschmeidigen, jovialen Bariton und seine ungewöhnlich klare Artikulation heraus und qualifiziert sich als Gewinner, ein Hörgenuss.

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©Landestheater Niederbayern, Foto: Peter Litvai

Tannhäuser dagegen sorgt durch seinen Hochmut und seine Prahlerei mit seinen Liebeserfahrungen für einen Eklat und der Sängerwettstreit artet in Handgreiflichkeiten aus. Als Pilger soll er in Rom büßen, wird aber vom Papst von seiner Schuld nicht freigesprochen. Elisabeth zieht den Tod der Ehe vor, wobei Reitmeier ihr kühn vom Vater Gift reichen lässt, eine extravagante Endlösung. Tannhäuser hin- und hergerissen von Lust und Liebe, stirbt ihr hinterher, ohne das Rätsel der Liebe ergründet zu haben. 

Zurab Zurabishvili, in letzter Minute eingesprungen, verkörpert diesen genussorientierten Tannhäuser sehr leidenschaftlich mit kraftvoller Stimme. Ohne Anstrengung und mit großer schauspielerischer Expression meistert er die anspruchsvolle Partie. Doch dem heldischen Impetus fehlen Glanz und Klangvarianten des Lyrischen, was in erster Linie der Technik geschuldet ist. Gleich zu Beginn des ersten Aktes hatten die Sänger gegen das Knacken und Rauschen der Tonanlage zu kämpfen. Die Tutti wurden wegen unexakter Einsätze v. a. des Chores immer unklarer. Das Orchester übertönte zuweilen die Stimmen. Schade, denn gerade in den orchestralen Passagen bewies die Niederbayerische Philharmonie unter der Leitung von Coleman durchaus eine bemerkenswerte Klangschönheit. Wunderbare Kontrabässe und Soli wie Harfe, Oboe, Fagott akzentuierten die sängerischen Partien. Selbst die Vogelwelt zwitscherte munter mit. So bleibt dennoch eine außergewöhnlich atmosphärische Opernnacht in Erinnerung.