©Wilfried Hösl
Durch ein intrigantes Lügenspiel gelingt es Francesco, seinen Bruder, den Erstgeborenen, zu vertreiben, dessen Braut für sich zu beanspruchen und den Vater aus dem Weg zu räumen, um die Macht an sich zu reißen.
Regisseur Erath kontrastiert die hitzige Story durch ruhige Stimmungsszenarien, in denen Verdis Sturm-und Drang-Musik bestens zur Wirkung kommt, Gefühle über Schattenwirkungen gespenstisch auflodern, die Lichtregie Grau-Weiß-Effekte (Licht: Olaf Freese) die moralischen Gewichte verteilt. Die Diener, im Zeitlupentempo somnambul umherwandernd, verorten das Geschehen ständig in surrealen Traumwelten. Das alles ist sehr stimmig inszeniert, zumal jedes Detail symbolische Bedeutung bekommt. Die seitliche Position am Tisch verrät, dass Francesco noch nicht ganz am Ziel ist und es nie sein wird. Bei den Räubern wird der Tisch zum Picknick auf dem Boden, Carlos neue Familie. Die Mutter in dieser Familienkonstellation, weder bei Schiller noch bei Verdi präsent, ist in Eraths Inszenierung als Kleid omnipräsent, wird in den Händen des Vaters Symbol eines großen Verlustes, der die Verwirrungen erklärt.
Und genau um diese Verluste kreist diese Oper letztendlich von Anfang an. Schon das Violoncellokonzert der Ouvertüre, von Emanuel Graf wunderbar interpretiert, stellt die Sehnsucht nach dem Mitmenschen in den Mittelpunkt. Später wird das Cello Amalias Waffe, um sich den drastischen Annäherungen Francescos zu erwehren. Am Schluss sind sie, egal ob gut wie Amalie oder schuldbeladen Vater und Söhne allesamt Verlierer. Das surreale marmorweiße Skulpturenensemble einer friedlichen Hirschfamilie mit dem röhrenden Oberhaupt als Sehnsuchtsbild märchenhafter Naturidylle, gerade hereingefahren, verschwindet wieder. Die Realität kennt nur Mord und Verdammnis.
Die Inszenierung mag arg düster wirken, im zweiten Teil etwas dröge, Buhs hat sie dennoch nicht verdient, zumal sie das Sturm-und-Drang-Melodram in seinen tiefsten Schattierungen und egomanischen Verirrungen offeriert.
©Wilfried Hösl
Beeindruckend ist die musikalische Präsentation. Unter dem Dirigat von Michele Mariotti glänzt das Bayerische Staatsorchester durch subtile Dynamik zwischen stürmischer Wildheit und subtiler Verinnerlichung ganz im Dienste der Sänger. Die sind, wie so oft in der Staatsoper München, international hochkarätig besetzt. Sie machen aus dem Frühwerk Verdis Arienperlen. Fantastisch intoniert, sehr innig und beseelt lässt Diana Damrau in diesem Rollendebüt die Partie der Amalie als große Frauengestalt der Oper aufleuchten. Mit Tenor Carles Castronovo als Carlo gelingen wunderbare Liebesduette. Igor Golovatenko zeichnet Francesco stimmlich und schauspielerisch als ehrgeizigen Unsympathling. Mika Kares berührt als Massimiliano durch seinen wohlklingenden Bass. Der Chor der Staatsoper wird unter Leitung von Stellario Fagone hinter den Kulissen und auf der Bühne zur magischen Kraft innerer Prozesse.
Angesichts dieser Inszenierung fragt man sich, warum „I masnadieri“ so selten zu hören ist.