©Opera Incognita, Aylin Kaip
Die Opera Incognita in München überrascht ein ums andere Mal mit Opernkonzepten der ganz anderen Art an außergewöhnlichen Orten. Zu den Highlights zählen die Aufführungen im Müllerschen Volksbad, wenn das Schwimmbecken zur Opernbühne wird. Nach Mozarts „Idomeneo“ (2013), Benjamin Brittens „The Turn of the Screw (2013) und sein „The Rape of Lucretia“ kombiniert mit Purcells „Dido und Aeneas“ (2018) gelingt mit „Queen Poppea“ eine Pool-Oper im Megaformat durch den Chor. 40 SängerInnen agieren als nobles Partyvolk, stolzieren im Cat-Walk den Beckenrand entlang und beobachten cool die Machtspiele und Mordattacken. Schon zu Beginn wird Neros Mutter mit einem Apfel vergiftet und vom Rollstuhl aus schwungvoll im Wasserbecken entsorgt. Ein gelungener Auftakt für Monteverdis intrigante Liebes- und Machtoper, in der ermordet wird, wer Neros beabsichtigte Hochzeit mit der Edelhure Poppea im Wege steht. Doch dem triumphalen Fest der Liebe, das sich aus einer Nebelwolke als Orgie herauskristallisiert, folgt in „Queen Poppea“ ein sarkastischer Epilog, „The Show must go on“ mit einer Riesenparty. Am Schluss treiben alle Partygäste zwischen roten Äpfeln nicht als Vertriebene aus dem Paradies, sondern als Leichen im Pool, konsterniert von einem Affen beobachtet.
Über die Besetzung der Hauptrollen bindet das Leitungsteam geschickt die Genderthematik ein. Bis auf Seneca sind alle Hauptrollen mit Frauen besetzt. Der Philosoph wird durch Robson Bueno Tavares’ satten Bass stimmlich zwar zum Mittelpunkt des Geschehens, aber Nero macht ihn durch den Befehl sich selbst zu töten mundtot, während er selbst sich ganz der Lust und dem Genuss hingibt. Konträr zu den üblichen Interpretationen Neros als Bösewicht, interpretiert ihn Karin Torbjörnsdottir nicht nur ganz in Gold gekleidet, sondern auch mit goldenem Sopran als galant femininen Partytyp. Frauke Mayer wirkt dagegen als sehr emanzipierte, androgyne Poppea eher männlich. Sie handelt hoch intrigant, wodurch in dieser Inszenierung gendermäßige Klischees ironisch gebrochen werden.
©Michaela Schabel
Das Opernkonzept ist famos, der Pool als Bühne mit den Lichtspiegelungen atmosphärisch, der sängerische Einsatz großartig. Wer kann schon, das Wasser bis zum Hals mit voller Stimmkraft singen? Drusilla, durch Ottone, den sie liebt, Mitwisserin seines Attentats auf die Kaiserin, wird gewaltsam von den Häschern wiederholt untergetaucht und trotzdem singt die junge Sopranistin Julia Heiler mit wunderschön klarer und feinfühliger Stimme. Octavia gibt Jessica Poppe eine sehr jugendliche Optik, nichtsdestoweniger durch ihren kraftvollen Sopran eine kaiserliche Aura. Carolin Ritter interpretiert Ottone als einen sympathischen Loser. Was er anpackt, misslingt.
Was die Opera Incognita anpackt, gelingt, auch wenn nur eine abendliche Probenwoche nach dem öffentlichen Schwimmbetrieb zur Verfügung stand. Wer allerdings den Klang und das Timing einer konventionellen Opernaufführung erwartet, wird enttäuscht. Die hallende Akustik macht zwar die Stimmen insgesamt sehr wuchtig, was Robson Bueno Tavares‘ satten Bass, noch gewaltiger hervorhebt, aber die Emotionalität der einzelnen Arien und Monteverdis Orchestrierung gehen trotz der sängerischen, sehr facettenreichen Timbres und musikalischen Interpretation verloren. Der Basso Continuo bleibt zuweilen vage. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit musste auf Keyboard und E-Instrumente ausgewichen werden. Das passt zu Queen, aber nicht zu Monteverdi. Aber die im wahrsten Sinne des Wortes spritzige Inszenierung bleibt dennoch im Gedächtnis. Das Publikum jubelte entsprechend wie in einem Rockkonzert.
Künstlerisches Team: Andreas Wiedermann (Regie), Ernst Bartmann (Musikalische Leitung), Aylin Kaip (Bühne, Ausstattung, Kostüme, Design, Plakat, Flyer), Jan-Robert Sutter (Licht, Technik), Maria Amansperger (Requisite, Übertitel, Abendspielleitung), Misha Jackl (Design, Programmheft)
Es singen Frauke Mayer (Poppea), Karin Torbjörnsdottir (Nero), Jessica Poppe (Octavia), Robson Bueno Tavares (Seneca), Carolin Ritter (Ottone), Julia Heiler (Drussila), Johanna Schumertl (Amore, Valletto), Roxana Mihai (Arnalta)